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Dienstag, 31. Dezember 2013

Ein gutes Neues Jahr!







Dienstag, 31. Dezember 2013
 

Endlich…dieses sehr lange Jahr ist bald zu Ende! Aber ich weiß nicht, wie das Neue Jahr beginnen wird!
 
Seit dem Staatsstreich im März gab es eine Kette von Gewalt, Plünderungen, Folter und Tötungen. Und Zentralafrika, das sich bereits unter den letzten Ländern der Welt befindet, versinkt weiterhin im Abgrund.
 
Und der letzte Monat, der Dezember, war sehr hart.
 
In Bangui spricht man von tausend Opfern allein im Dezember, von wachsenden Spannungen, von Moslems und Christen, die nicht aus religiösen, sondern aus politischen und kulturellen Gründen aneinander geraten.
 
Hier in Bozoum leben wir seit dem 6. Dezember eine Realität, die besonders schwer und schön zur gleichen Zeit ist. Die Angriffe vom 6., 23. und 25. Dezember der Anti-Balaka (größtenteils einfache Bauern, die durch die Gewalttaten von Seiten der Seleka seit Monaten verärgert sind) haben 50 Tote und viele Flüchtlinge zur Folge gehabt, die ihre Häuser verlassen haben, um auf die Felder oder hierher zur Missionsstation ( im Moment sind es 3200 Flüchtlinge, aber wir kommen auch auf 6000 ) oder in die Nähe der Moscheen zu fliehen.
 
Die Realität ist schwer, weil an Nahrung, Wasser, Ordnung und Sicherheit der Menschen gedacht werden muss.
 
Aber sie ist auch schön: In diesen Tagen wurden hier in der Missionsstation 14 Kinder geboren. Und jeden Tag gehe ich mitten zwischen den Menschen umher, einfach um sie anzulächeln und zu ermutigen.
 
Schön ist auch durch die Arbeit der Versöhnung, die wir versucht haben, indem wir überallhin auf unmöglichen Wegen zu den Rebellen gingen,  und indem wir versuchten, auch dem Letzten ein Quäntchen Vernunft und Menschlichkeit in diesem Wahnsinn, der der Krieg ist, zu bringen.
 
Mindestens ein Dutzend Treffen hatten wir mit den Rebellen der Anti-Balaka, mindestens 10 mit den Rebellen der Seleka, und diese Arbeit haben wir immer zusammen mit den Muslimen verrichtet.
 
Bis jetzt gibt es keine Ergebnisse…vielleicht ist es uns nur gelungen, die Katastrophe ein bisschen hinauszuzögern. Wenn die Anti-Balaka angreifen (es sind ungefähr 1000) werden sie keinen Unterschied machen zwischen den Rebellen der Seleka und den Moslems (auch weil einige mit der Seleka zusammengearbeitet und von ihrer Anwesenheit hier in Bozoum profitiert haben, aber viele sind unschuldig). Es wird leider ein Massaker geben!
 
Wir haben alles versucht, was möglich ist. Wir haben Menschen getroffen, die bis an die Zähne bewaffnet waren…Wir haben die Präsenz von Soldaten erbeten und angefordert (sei es von den afrikanischen Truppen der MISCA oder der Franzosen von Sangaris), aber keiner scheint die Katastrophe zu verstehen, die sich anbahnt…
 
Ich fürchte, dass sie später mit einigen Journalisten, die das Übliche sagen werden, nur kommen werden, um die Toten zu zählen, DANACH, wenn es zu spät ist!
 
Aber noch ist Zeit! Also dann: Allen ein gutes Neues Jahr!
 
Die Zeit ist immer ein Raum, in dem sich die Macht und Gegenwart Gottes, des Vaters, offenbart, und wir wollen hoffen, dass wir uns das, was vergangen ist, zu Nutze machen können, um zusammen ein besseres 2014 aufzubauen.
 
Dazu gebe uns Gott seinen Segen!
 






Donnerstag, 26. Dezember 2013

Ein seltsames Weihnachtsfest




 



Seitdem die französischen Soldaten wieder weg sind, befinden wir uns in einer schwierigen Situation.

Samstag, d. 21. Dezember 2013
An diesem Morgen sind die französischen Soldaten abgezogen, und es gibt niemanden, der sie ersetzt. Schon an diesem Morgen haben zwei Angehörige der Seleka außerhalb ihres Stützpunktes Menschen mit Waffen bedroht, und um neun Uhr musste ich in die Stadt fahren, um einen jungen Mann zu befreien, der von der Seleka verhaftet und in der Wohnung des Oberst festgehalten wurde (dem die französischen Soldaten eigentlich befohlen hatten, seine Wohnung zu verlassen und sich den anderen Seleka-Angehörigen, die im Stützpunkt bleiben mussten, anzuschließen).
Am Nachmittag fangen die Leute wieder an, in der Missionsstation Zuflucht zu suchen. Ich sage ihnen, dass sie die Ruhe bewahren sollen, aber sie haben Angst, weil viele Muslime wieder zu den Gewehren und den Messern gegriffen haben. Ich drehe eine Runde durch die Stadt, aber die Lage ist ziemlich ruhig.
Danach treffe ich eine Gruppe der Antibalaka, die sehr nahe bei der Stadt stationiert sind. Ich lade sie ein, die Ruhe zu bewahren und sich an einen etwas weiter entfernt gelegenen Ort zurückzuziehen. Die Diskussion ist friedlich, bis jemand die Nachricht bringt, dass die Seleka-Rebellen bewaffnet ihren Stützpunkt verlassen haben und dabei sind, durch ein Stadtviertel zu fahren.
Die Gemüter erhitzen sich rasch, und ich weiß nicht, ob es lange dauern wird, bis sie die Stadt angreifen. Die Menschen haben Angst, und inzwischen halten sich bereits zweihundert Leute in der Missionsstation auf.
Der Abzug der Soldaten ist ein Problem. Es ist gefährlich, eine so heikle Operation, wie sie die Entwaffnung ist, zu beginnen, ohne sie zu Ende zu führen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie nicht zu beginnen!
Werden andere Truppen kommen ? Und wie lange werden sie bleiben? Es ist schon das zweite Mal, dass Soldaten gekommen und gegangen sind und uns mit den Problemen zurückgelassen haben…

Sonntag, d. 22. Dezember 2013

Ein relativ ruhiger Tag, vielleicht auch deshalb, weil ich ein bisschen unter Malaria leide.
Am Nachmittag gehe ich trotz des Fiebers zum Sekretär der Präfektur, um mich mit dem Seleka-Oberst zu treffen, der mit einem anderen Oberst kommt (der Prada-Sandalen trägt…), und dieses Mal sind sie bis auf eine Pistole nicht bewaffnet. Auch sie machen sich große Sorgen, denn es mehren sich die Gerüchte, dass die Antibalaka angreifen wird. Die Mehrheit der Muslime und Fulbe-Nomaden in der Stadt sind bewaffnet, und es kann alles passieren. Wir beschließen, uns am folgenden Tag mit den Oberhäuptern der Stadtviertel zu treffen, aber ich fürchte, dass es zu spät sein wird! Schon heute Abend haben sich viele Menschen in die Missionsstation geflüchtet. Was wird diese Nacht und morgen geschehen?

Montag, d. 23. Dezember 2013
Eine ziemlich ruhige Nacht, aber die Zahl der Menschen, die in der Missionsstation Zuflucht suchen, steigt noch immer. Ich fahre in die Stadt, um mich mit dem Imam zu treffen und ihm vorzuschlagen, dass Frauen und Kinder hier in die Missionsstation kommen sollen. Aber es ist zu spät, denn um 10 Uhr beginnen Schusswechsel zwischen den Angehörigen der Antibalaka, die die Stadt einzunehmen versuchen, und der Seleka. Die Menschen rennen zur Missionsstation, und viele finden Zuflucht in der Kirche. Die ersten zwei Stunden lang fallen die Schüsse ganz in der Nähe der Missionsstation.
Um 13 Uhr überqueren zwei Seleka-Angehörige bewaffnet den Hof der Missionsstation. Ich sage ihnen, dass sie das Grundstück verlassen sollen, weil sich hier nur Zivilisten aufhalten. Sie werden wütend und bedrohen mich, aber am Ende verlassen sie die Mission. Gegen 16 Uhr hören die Schüsse auf, und die Leute richten sich in den Räumen und auf den Terrassen der Mission häuslich ein. Wie wird die Nacht sein? Und was wird morgen sein ?

Dienstag 24. Dezember 2013
Der Morgen ist ziemlich ruhig, aber es suchen immer mehr Menschen Zuflucht in der Mission. Jetzt sind es bereits 2.700. Gegen 13 Uhr fliegt ein Helikopter über der Stadt, und danach treffen zwei weitere Hubschrauber ein, die hier landen. Es ist die französische Armee, die sich über die Lage informieren will. Wir halten eine kurze Besprechung ab, und nach 20 Minuten brechen sie wieder auf.
Die Mitternachtsmesse feiern wir aus Sicherheitsgründen um 16 Uhr. Viele Leute nehmen daran teil, und sie singen und tanzen. Ein Augenblick der Freude in diesen schwierigen Zeiten!
Eine Delegation der UNO kommt vorbei, um die Situation in Augenschein zu nehmen, aber am nächsten Tag werden sie aufgrund der herrschenden Unsicherheit gezwungen sein, wieder von dannen zu ziehen, ohne etwas getan zu haben.

Mittwoch, d. 25. Dezember 2013: WEIHNACHTEN
Es ist ein seltsames Weihnachtsfest in diesem Jahr! Um 5:30 Uhr werden wir von vielen Schüssen geweckt. Drei Stunden geht es so weiter!
Ich lasse die Delegation der UNO schnell abreisen – und um 8:30 Uhr beginnen wir die Messe, entgegen der gegenteiligen Auffassung, dass es vorzuziehen sei, ein Ende der Schusswechsel abzuwarten… Aber da geschieht ein kleines Weihnachtswunder: Sobald die Messe begonnen hat, hören die Schüsse für den ganzen Tag auf!
Um 12:30 Uhr versammeln wir, die Patres und die Ordensschwestern, uns bei Tisch. Es gibt nichts Besonderes zu essen, aber ich habe es geschafft, trotz allem Ravioli zu kochen! Zum Teufel mit den Rebellen!
Was mich sehr berührt hat, sind die SMS und Briefe mit Weihnachtswünschen von muslimischen Freunden. Es gibt noch immer Raum für Hoffnung und Liebe!
Der Nachmittag ist von den Gesängen der Kinder geprägt. Sie singen traditionelle und andere Lieder. Eines, das für diesen Anlass entstanden ist, ist wunderbar: Die Kinder singen: „Hört auf mit dem Töten, hört auf mit den Massakern“.
Hier kann man einige (sehr kurze) Videos vom Weihnachtsfest in Bozoum anschauen:










Samstag, 21. Dezember 2013

Eine lange Woche






 
Sonntag, 15. Dezember
 
Die Soldaten sind nicht angekommen. Weder die französischen noch die kamerunenischen der FOMAC.
Wir hatten so große Hoffnung gehabt, weil der Moment günstig ist, mit den Anti-Balaka außerhalb und den Seleka-Rebellen, die in ihrem Stützpunkt festsaßen, aber nichts.
Die Zahl der Flüchtlinge in der Missionsstation beträgt 5700. Der Prozess der Aussöhnung dauert an.
Die Moslems organisieren die Entwaffnung, und tatsächlich sehen wir nicht viele Menschen mit Macheten in der Stadt.
Gestern haben wir dem Oberst der Seleka das Ultimatum vorgelegt, und er hätte uns  um 11 Uhr eine Antwort geben müssen, dann um 15 Uhr, und um 16 Uhr hat er endlich gesagt, dass er die 2. Alternative akzeptiert, nämlich die Männer in der Basis zu lassen und sie nicht bewaffnet in der Stadt herumlaufen zu lassen.
Das ist eine gute Idee, auch wenn wir Folgendes bedenken:
 Eine gewisse Anzahl von Seleka-Rebellen (mindestens drei) ist aus Bozoum geflohen.
Heute Nachmittag traf ich die Anti-Balaka, weil wir für heute einen Termin ausgemacht hatten, um Informationen auszutauschen. Ich hatte nicht viele Nachrichten, weil ich die Antwort des Oberst noch nicht kannte, und die französischen oder kamerunensischen Soldaten waren nicht gekommen.
Ich unterstrich die Notwendigkeit einer Entwaffnung durch professionelle Soldaten und sie stimmten mir zu. Mir kamen sie ruhiger vor als gestern, besonders angesichts des Problems des dreitägigen Ultimatums. Das gestrige Treffen mit den Moslems zeigte Früchte, weil sie ihnen gegenüber weniger gewalttätig sind.
Ich versprach, morgen am Nachmittag wiederzukommen. Morgen werde ich mit anderen Gruppen der Anti-Balaka Kontakt aufnehmen, und wir werden sehen.
 
Montag, 16. Dezember
 
Gegen 8.30 Uhr morgens gehe ich in die Stadt, um mit einigen Leuten vom Roten Kreuz noch eine Leiche zu bergen und zu beerdigen. Bei der Rückkehr treffe ich neun bewaffnete Seleka-Rebellen zu Fuß in der Stadt, obwohl Oberst Yahaya zugestimmt hatte, sie in der Basis festzuhalten.
Kurze Zeit später treffen wir ein Mitglied der Seleka in der Missionsstation. Ich verfrachte ihn ins Auto und bringe ihn nach draußen, und er beteuerte seine Unschuld…bla bla bla…wir haben es nachgeprüft und festgestellt, dass er eine Person bedroht hat und gekommen war, um mehr Geld zu erpressen.
Um 11 Uhr versammelte sich das von uns so genannte „Verhandlungskomitee“. Man prüft die Situation und wir sind uns einig, den Oberst anzurufen und ihm wegen der Nichteinhaltung der Bedingungen, seine Leute in der Basis zu halten,  Vorwürfe zu machen. Er kommt um 11.30 Uhr  und wir beschweren uns über das Benehmen seiner Männer, dass sie die Bedingung, im Stützpunkt zu bleiben, nicht einhalten und weiterhin erpressen. Er muss sich der Schwere der Situation bewusst sein und der Gefahr, in die er die gesamte Bevölkerung durch so ein Handeln bringt.
Um 16 Uhr beginnt das Treffen mit den Anti-Balaka, und wir erklären ihnen die Situation, dass wir vorgeschlagen haben, dass die Seleka im Stützpunkt bleibt, und andere Vorschläge, um den Missbrauch zu beenden, während wir auf die Ankunft der französischen Soldaten und der FOMAC warten. Nach der Rückkehr von der Versammlung sehen wir noch das Problem eines Motorrads, das von einem Seleka-Element beschlagnahmt wurde, und wir erwischen mindestens sieben Mitglieder der Seleka, die zu Fuß in der Stadt mit Waffen herumlaufen.
Es ist nicht leicht, sich darauf zu beschränken, dass sie sich ergeben.
Nur Mut!
 
Dienstag, 17. Dezember
 
An diesem Morgen fahren wir (der Sekretär der Präfektur, Pater Aurelio und vier Moslems) gegen 8.30 Uhr in die Stadt, um zu überprüfen, ob die Seleka-Rebellen an ihrem Stützpunkt sind odernicht. Wir treffen sie versammelt an und wir fahren aus der Stadt heraus, weil jemand uns gesagt hat, dass die Seleka gestern eine Straßensperre errichtet und „Formalitäten“ von einigen Autos verlangt habe. „Nach Formalitäten fragen“ bedeutet „Geld fordern“. Aber nach zwei Stunden kam der Oberst der Seleka, um sie zu vertreiben, und einige Mitglieder sind geflohen.
Um 12 Uhr beginnt sich die Nachricht von der Ankunft der französischen Soldaten zu verbreiten, die wir um 12.30 Uhr mit ihren Panzerspähwagen in die Stadt einfahren sehen.
Um 13 Uhr kommen sie hier in der Missionsstation an. Sie werden von unseren Flüchtlingen als Befreier begrüßt!
Der Hauptmann bat mich, die Situation darzustellen, und ich erklärte ihm die ganze Geschichte mit dem Prozess der Versöhnung und des Friedens. Er ist erstaunt über die Arbeit und ist froh, weil das genau dem Ziel seiner Mission entspricht.
Nach einer Ortsbegehung, um festzulegen, wo die Soldaten ihre Zelte aufschlagen sollen, fahren wir um 15 Uhr mit ihm los und erreichen den Ort, wo wir uns mit der Anti-Balaka treffen. Sie sind froh, die beiden Panzerspähwagen zu sehen, und der Hauptmann erklärt, dass es seine Aufgabe sei, die Verbrechen der Seleka zu beenden und alle zu entwaffnen.
Die Anti-Balaka sind sehr glücklich und beschließen, die Waffen niederzulegen, weil ihr Ziel ( die Entwaffnung der Seleka, der Moslems und der Fulbe) erreicht ist.
Nach der Rückkehr in die Missionsstation rufe ich die Flüchtlinge in die Kirche und verkünde ihnen die gute Nachricht vom Frieden. Ich erkläre die Vorgehensweise und die Mission des französischen Militärs. Ich sage, dass die Repressalien der Seleka zu Ende sind, und dass sie jeden Vorfall sofort anzeigen und melden müssen. Ich gebe noch einige Ratschläge und bitte alle Menschen, zu warten und morgen aufzubrechen. Wir beenden das Treffen mit einem großen Gloria, mit Singen und Tanzen.
An diesem Abend herrscht eine sehr fröhliche Atmosphäre: es ist wie Weihnachten!
 
 
Mittwoch, 18. Dezember
 
 Viele Flüchtlinge kommen in die Messe, um für den Schutz in den letzten Tagen zu danken, für den Frieden und für die Versöhnung. Sofort danach beginnen die Menschen, ihre Sachen zu packen, und brechen auf. In weniger als zwei Stunden ist die Missionsstation leer, und die etwa 40 Zimmer, in denen die Flüchtlinge untergekommen waren, sind nicht nur leer, sondern auch ganz sauber: Die Flüchtlinge haben alles ordentlich hinterlassen! Ein kleines Wunder, und eine Geste der Dankbarkeit!
Etwas später gehe ich ins Stadtzentrum und finde die Menschen ruhig und den Markt wieder geöffnet: Das Leben geht weiter!
Die französischen Soldaten sind in der Stadt mit ihren Panzerspähwagen und Lastwagen, gut sichtbar: Sie beobachten die Rebellen der Seleka und erklären ihnen, dass sie von jetzt an ihren Stützpunkt nicht mehr bewaffnet verlassen können.
Dann gehe ich ins muslimische Viertel, und die Leute begrüßen mich voller Freude: Heute ist ein kleines Fest!
Allerdings wird es oft gestört von Gerüchten von Angriffen der Anti-Balaka und der Angst, dass die Rebellen der Seleka und andere ihre Waffen an einem anderen Ort verstecken. Aus diesen beiden Gründen muss ich mehrmals in die Stadt gehen.
Um 15.30 Uhr landet ein Hubschrauber mit General Soriano, dem Chef der französischen Truppen. Er trifft das kleine Vermittlungskomitee und hört sich die Geschichte unserer Arbeit und unsere Sorgen an, aber auch unsere große Freude darüber, die französischen Truppen in Bozoum zu haben. Nach seiner Abreise gehe ich 5 km mit dem Sekretär der Präfektur zu den Anti-Balaka. Sie haben eine Sperre errichtet, um zu verhindern, dass Waffen nach außen gelangen. Wir reden lange, und wir sagen ihnen, dass sie die Sperre entfernen sollen, damit die Menschen von Bozoum beruhigt sind und keine Angst haben. Sie sind einverstanden.
Die Entwaffnung beginnt, aber es ist nicht so einfach.
Es ist notwendig, dass alle sich daran beteiligen!
Donnerstag, 19. Dezember
 
 Die Nacht war ruhig: Die erste Nacht ohne Flüchtlinge, ohne Krach, ohne Husten, ohne das Weinen von Kleinkindern.
Der Imam bat mich, ihm bei der Beerdigung einer Frau zu helfen; er hat Angst vor den Anti-Balaka. Ich bitte die französischen Soldaten und zusammen gehen wir los, um sie zu beerdigen.
Danach gehe ich in das Krankenhaus, um einen Verletzten abzuholen, und bringe ihn zu dem kleinen Flughafen, wo ein Flugzeug vom Roten Kreuz ihn aufnimmt und nach Paoua bringt, wo die „Ärzte ohne Grenzen“ sich um ihn kümmern werden.
Um 14.30 Uhr breche ich mit dem Generalsekretär der Präfektur zum Treffen mit den Anti-Balaka auf. Wir treffen sie ruhig an: Es gibt fast keine Waffen mehr. Wir diskutieren, und es geht weiter.
Auf dem Rückweg passieren wir schnell eine Straße, wo wir einige Fulbe treffen, die unseren Informationen zufolge Waffen verstecken.
Auf unserem Weg durch die Stadt begegnen wir dem Auto der Seleka-Rebellen, von denen einer bewaffnet ist. Das dürfte nicht sein.
Ich komme in der Missionsstation an, aber ich muss zurück fahren, um eine andere Gruppe der Anti-Balaka zu treffen. Ich bin froh, sie zu sehen, ein bisschen mit ihnen zu sprechen, ihnen zuzuhören, ihnen Ratschläge zu geben und sie in Erwartung der effektiven Entwaffnung aller Parteien um Geduld zu bitten.
Ich kann feststellen, dass viele Meldungen  und Gerüchte die Runde machen ( die Anti-Balaka würden Herden von 800-700 Tieren stehlen und hätten ein Auto angegriffen), aber ich kann bestätigen, dass diese Nachrichten falsch sind.
Die Arbeit der Vermittlung und Versöhnung geht sehr langsam weiter, aber sie geht weiter.
 
 
Freitag, 20. Dezember
Am Vormittag fahre ich mit dem Sekretär der Präfektur auf einer schrecklichen Straße 9 km  nach Kosso. Wir werden von zwei französischen Soldaten begleitet.
Hier findet die Versammlung einer Gruppe der Anti-Balaka, die wir noch nicht getroffen haben, statt: einfache Menschen, die ihre Wut nach monatelangen Übergriffen und Gewalttaten vonseiten der Seleka ausdrücken.
Wir hören ihnen zu und erklären ihnen die Arbeit der Versöhnung in diesen Tagen. Der französische Hauptmann erklärt seine Rolle und seine Mission. Bevor wir zurückfahren, gehen wir zum Imam, um die Menschen zu beruhigen, die noch durch einen Angriff der Anti-Balaka traumatisiert sind. Außerdem gibt es Menschen, die Vorfälle erfinden, wie ein junger Mann, dessen Auto  von den Anti-Balaka angehalten worden sein soll; sie hätten ihm Geld geraubt ( die Zahl, die er nannte, wurde jedes Mal höher!). Nach der Überprüfung fanden wir heraus, dass die Anti-Balaka ihn niemals angehalten hatte.
Am Nachmittag findet eine lange Versammlung des Vermittlungskomitees statt. Wir bitten darum, nachzudenken und laden alle ein, ruhig zu bleiben und die Nachrichten, die sich verbreiten, gut zu überprüfen. Während der Versammlung kommt ein Auto mit sieben völlig bewaffneten Seleka-Rebellen an. Ich mache ihnen Vorwürfe, weil sie ihren Stützpunkt nicht mit Waffen verlassen dürfen. Ich mache einige Fotos, und sie gehen murrend davon.
Schließlich beginnen die Soldaten, einige versteckte Waffen einzutreiben. Aber es bleibt noch viel zu tun!
 
 
 Samstag, 21. Dezember
 
Die französischen Soldaten gehen wieder! Sie sollen von Soldaten aus Kamerun ersetzt werden, aber wann?
Schon am Morgen nehmen sie wieder die üblichen Schweinereien auf!!
Um 9 Uhr muss ich zu ihrem Stützpunkt gehen, weil sie einen jungen Mann festgenommen haben.
Wie lange wird der Frieden dauern?


 








Sonntag, 15. Dezember 2013

Arbeit für Frieden und Versöhnung






 
Freitag, d. 13. Dezember
 
An diesem Morgen mache ich mich vor 6 Uhr auf den Weg nach Bocaranga, in das Dorf Tatale, das 50 Kilometer entfernt ist, um die Menschen mitzunehmen, die beim Angriff der Antibalaka am Samstag, d. 7. Dezember, verletzt worden sind. 15 Kilometer von Bozoum entfernt halte ich an, weil mich dort Anhänger der Antibalaka erwarten. Ich begrüße sie. Es sind Leute aus den an der Straße gelegenen Dörfern: Schüler, Jugendliche, Erwachsene. Es sind mehr als 80. Sie bringen ihre Verzweiflung über die Übergriffe der Séléka und das Unglück, das seit März über sie gekommen ist, zum Ausdruck.
Ich sage ihnen, dass die Antwort auf die Erpressung und der Kampf, um ihre Familie und ihr Dorf zu verteidigen, eine gute Sache sei, aber man dürfe dabei nicht die Muslime und die Séléka verwechseln. Die Verbrecher sind die Séléka. Es gibt Muslime und Mbororos (auch Fulbe genannt, ein Nomadenstamm, der mehrheitlich muslimisch ist), die davon profitiert haben, aber es kommt nicht in Frage, Zivilisten anzugreifen wie in Bozoum, wo sie damit eine Gegenreaktion der Séléka und der Muslime, die jetzt alle bewaffnet sind, provoziert haben und mehr als 20 Unschuldige getötet wurden.
Sie verstehen es, und ich frage, ob sie bereit sind, sich mit einem Oberst der Séléka zu treffen. Sie stimmen zu.
Ich setze meine Fahrt fort, und in jedem Dorf gibt es Anhänger der Anti-Balaka. In Tatale traf ich, während wir die Verletzten einsammelten, das Selbstverteidigungskomitee, das sich gebildet hatte, nachdem die Anti-Balaka am Samstag die Muslime des Dorfes angegriffen hatte. Die Atmosphäre ist gut, aber Oberst Yahaya aus Bozoum hat den Mbororos Kalaschnikows verkauft, was die Dinge komplizierter macht. Wir kehren mit zwanzig Verletzten zurück.
Ich versuche den Oberst davon zu überzeugen, dass er morgen unbewaffnet zur Versammlung kommen soll. Hoffen wir! Wir hoffen auch, dass diese Arbeit Früchte tragen wird.
 
Samstag, d.14. Dezember
 
Dies ist der große Tag des Treffens mit der Anti-Balaka, einfachen Bauern, die Wachkomitees gebildet haben, um ihre Familien und ihr Hab und Gut zu schützen und die empört sind über die Übergriffe der Séléka. Um 8 Uhr komme ich mit dem Sekretär der Präfektur, dem  Leiter des Schulamts und meinen Kollegen von Justitia et Pax in die Stadt. Séléka-Oberst Yahaya ruft seinen “Generalstab” an und reicht mir das Telefon. Nachdem ich das Problem erklärt habe und die Verantwortung für die Sicherheit auf mich genommen habe, ist er damit einverstanden, dass der Oberst ohne Escorte kommt (das war die Bedingung, die ich gestellt hatte).
Unterdessen kann ich einige muslimische Verantwortungsträger überzeugen (zwei Imame, ein Oberhaupt der Mbororos und dem Vertreter der muslimischen Händler). Wir haben Mühe sie zu überzeugen, aber dann sind sie bereit und stark motiviert (und sehr mutig, wenn man daran denkt, dass die Angehörigen der Anti-Balaka  den Muslimen und Mbororos gegenüber ziemlich feindselig  sind, weil manche von ihnen mit der Séléka kollaboriert und von ihrer Präsenz profitiert haben.)
Als wir schon aufbrechen wollen und  der Oberst schon im Fahrzeug ist, steigt einer der Séléka-Rebellen mit vielen Waffen ein. Wir lassen ihn aussteigen, und auch der Oberst beschließt, nicht zu kommen. Nur wenig später erfahren wir, dass die Séléka-Anhänger mit ihrem Wagen mit hoher Geschwindigkeit losgefahren sind, um uns zu folgen, aber sie hatten einen Unfall und mussten umkehren. Ich wage nicht, es mir vorzustellen, was passiert wäre, wenn sie bewaffnet zu der Versammlung erschienen wären…
Wir brechen auf und kommen im Dorf an. Dort steht eine beeindruckende Reihe bewaffneter Männer. Es sind mehr als 500. Sie haben handwerklich hergestellte Gewehre, die mit Wasserrohren gemacht sind, Macheten, Stöcke…
Wir beginnen das Treffen und geben den Anführern das Wort. Es ist eindrucksvoll, die Schreie ihrer Angst und des Leids anzuhören. Sie können sich nicht frei bewegen, sie haben Probleme mit den Mbororo-Viehzüchtern, die bewaffnet sind und sie oft bedrohen, sie sind verwundet, gefoltert, vergewaltigt, ausgeraubt worden. Sie haben Familienangehörige verloren, die von der Séléka getötet wurden (einer wurde getötet und seine Leiche wurde in den Fluss geworfen).
Sie sind sehr entschlossen und stellen ein Ultimatum von drei Tagen, dass die Séléka die Waffen niederlegt und die Stadt verlässt. Andernfalls wollen sie nach Bozoum kommen und die Séléka angreifen. Und das wäre die Katastrophe und ein Blutbad (da sie die Séléka mit den Arabern gleichsetzen. Es gäbe ein Massaker an den Muslimen und als Reaktion darauf ein Massaker an den Christen).
Wir erkennen an, dass ihre Wut gegenüber der Séléka berechtigt ist. Aber wir versuchen, sie verstehen zu lassen, dass die Mehrheit der Muslime und der Mbororos unschuldig sind, auch wenn einige Muslime und Mbororos mit der Séléka kollaboriert haben.. Es wird notwendig sein, auch die Muslime und Mbororos zu entwaffnen, weil Oberst Yahaya ihnen Kalaschnikows verkauft hat (mindestens 20).
Die Führer der Moslems sind zum Glück sehr klug. Manchmal gibt es Aussagen aus der Menge gegen die Moslems, aber sie bleiben ruhig. Sie sprechen, und zuerst bitten sie um Vergebung für das Schlimme, das die Moslems getan haben, und sagen, dass sie mit allen Mitteln dabei behilflich sein wollen, dass die Séléka verschwindet, damit wir wieder  in Frieden zusammenleben können.
Wir beendeten das Treffen mit dem Ziel, dass die Séléka entwaffnet wird und abzieht. Es sind nur drei Tage Zeit dafür! Es wird nicht leicht sein, aber wir werden es gemeinsam versuchen…..sonst…..Gott stehe uns bei!
Es gibt in diesem Gebiet ungefähr 1000 Anhänger der Anti-Balaka. Außerdem gibt es zwei Hauptgruppen, und wir schätzen die Gesamtzahl auf mindestens auf 2500- 3000 bewaffnete Personen.
Wenn wir es schaffen, die Séléka zu entwaffnen und zum Abzug zu bewegen, ist die Anti-Balaka bereit, von den Waffen zu lassen……es könnte ein Modell sein und die Aussöhnung im Land erleichtern.
Um 15.00 Uhr: Versammlung der Menschen, die an diesem Morgen gekommen sind ( der Sekretär der Präfektur, fünf Moslems und  ich); wir sind uns einig, ein Ultimatum an den Oberst zu verlesen, und wir geben ihm zwei Möglichkeiten:
  • Die Séléka verlässt Bozoum.
  • Wenn die Séléka bleiben will, muss sie auf einen einzigen Ort beschränkt sein und darf nicht bewaffnet durch die Straßen gehen.
Wir rufen den Oberst, der kommt. Wir erklären ihm die schwere Lage, lesen ihm das Ultimatum der Anti-Balaka vor und legen ihm unsere Vorschläge vor. Es ist klar, dass sie nicht sehr zufrieden damit sind. Wir bitten sie, die Vorschläge sehr ernst zu nehmen, weil die Anti-Balaka im Moment sehr zahlreich und sehr mächtig sind, und wenn die Séléka sich widersetzt, kann es für alle zu einem Massaker kommen.
Sie werden darüber nachdenken und morgen um 11 Uhr darauf antworten.
Venerdì 13 dicembre
Questa mattina prima delle 6 , ho preso la strada per andare a Bocaranga, nel villaggio di Tatale (50 km) a prendere i feriti dell'attacco degli anti Balaka di Sabato 7 dicembre .
A meno di 15 km da Bozoum , mi sono fermato perché ci sono gli anti Balaka e sono mi stanno aspettando .
Li saluto: è la gente nei villaggi della strada, ci sono studenti , giovani, adulti ... sono oltre 80.
Iniziamo a parlare . Esprimono la loro disperazione per le esazioni dei Seleka e le loro disgrazie da marzo.
Io dico loro che la risposta alla estorsione e la lotta per difendere le loro famiglie e il loro villaggio è una buona cosa , ma non dovrebbe confondere i musulmani e i Seleka . I criminali sono la Seleka . Ci sono musulmani e Mbororos che ne  hanno approfittato , ma è fuori questione attaccare i civili come hanno fatto in Bozoum , provocando la reazione della Seleka ( con più di 20 civili innocenti uccisi ) e dei mussulmani che ora  sono tutti armati .
Capiscono , e chiedo se accettano di partecipare ad un incontro con il colonnello Seleka ... ed accettano ...
Continuo la strada , e in ogni villaggio ci sono anti Balaka . A Tatale , mentre prendiamo i feriti , ho incontrato il comitato di autodifessa , che avevano reagito contro gli anti Balaka che Sabato hanno attaccato i musulmani del villaggio . L'atmosfera è buona , ma ... il Colonnello Yahaya ( Bozoum ) ha venduto kalashnikov ai Mbororos .. e questo complica le cose ...
Torniamo con venti feriti ....








Donnerstag, 12. Dezember 2013

Hoffen, bangen, hoffen








 
Montag
 
Am Abend kommen unsere Leute an. Es sind kamerunesische Soldaten der FOMAC (der multinationalen Truppe Zentralafrikas). 20 Soldaten, die sehr professionell sind. Sie sichern das Gelände der Missionsstation, die jetzt schon 4.500 Flüchtlinge beherbergt. Dann brechen sie auf, um die Séléka-Rebellen zu treffen. Sie informieren diese darüber, dass sie in der Stadt patrouillieren, und die Séléka ist damit nicht einverstanden. Die FOMAC sagt, dass es egal sei, weil sie trotzdem patrouillieren werden. Da verlangt die Séléka, dass sie die Patrouillen gemeinsam machen, und die FOMAC sagt nein. Am Ende muss die Séléka es akzeptieren.
 
Dienstag
 
Dienstagfrüh gehe ich zum Flughafen, um eine Frau dorthin zu bringen, die am Freitag von der Séléka verwundet wurde. Das Flugzeug des Roten Kreuzes bringt sie nach Paoua, wo die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ sich um sie kümmern wird.
Inzwischen veranstaltet die FOMAC ein Treffen mit den Autoritäten der Stadt, mit dem Imam und der Séléka. Die Séléka fordert, dass die Menschen, die sich in die Missionsstation geflüchtet haben, in ihre Stadtviertel zurückkehren. Sie selbst würden für die Sicherheit sorgen!!! Sie wollen die Bevölkerung um 14 Uhr treffen. Ich lehne es ab, sie in die Missionsstation kommen zu lassen, und ich will nicht, dass sie zu der Bevölkerung sprechen, sondern ich will, dass die Bevölkerung zu ihnen spricht. Ich stimme zu, ein Treffen in einem Haus auf der anderen Seite der Straße mit einem Dutzend Vertreter der Flüchtlinge zu veranstalten. Um 14 Uhr sind wir alle da. Aber die Séléka kommt nicht. Wir warten ein bisschen. Dann beschließen wir, nicht länger als bis 14:30 Uhr zu warten. Um 14:25 Uhr ruft der „Oberst“ an und sagt, dass er geschlafen habe und jetzt kommen könne. Wir sagen nein, weil wir jetzt weggegangen sind und dass er am anderen Morgen um 8:30 Uhr kommen solle. Er besteht darauf, aber wir sagen NEIN: Als die Vertreter der Flüchtlinge hören, dass wir ablehnen, auf den Oberst zu warten, klatschen sie Beifall. Es ist wichtig, dass die Leute anfangen, sich ihrer eigenen Würde bewusst zu werden, und dass sie Respekt einfordern. In der Stadt ist die Lage etwas weniger angespannt, und es gibt etwas weniger Waffen…
Nach dem ausgefallenen Treffen breche ich mit dem Roten Kreuz auf, um noch eine Leiche zu bergen. Bei der Rückkehr begegne ich jungen Männern, die mit Stöcken und Macheten bewaffnet sind. Ich halte an und frage, warum sie bewaffnet herumlaufen. Sie sagen mir, dass sie Angst vor den Anti-Balaka (spontan gebildete Milizen, die die Séléka und die Muslime angreifen). Ich sage ihnen, dass sie  ruhig bleiben und nicht mit Waffen herumlaufen sollen. Um 20:30 Uhr werde ich darüber informiert, dass die Anti-Balaka in der Stadt sind. Wir treffen einige Vorsichtsmaßnahmen und gehen dann schlafen. Letztlich verläuft die Nacht ruhig.
 
Mittwoch
 
An diesem Morgen hatten wir um 8.30 Uhr eine Versammlung. Die Überraschung:  „Oberst“ Yahaya der Seleka kam fünf Minuten früher an. Er hat die Lektion von gestern gelernt. Er kam mit  „Oberst“ Ibrahim und mit 10/15 (das ist sein Kampfname), und ihrer Eskorte (die dazu noch mit gris-gris, also Amuletten behängt ist, die von Waffen stammen ).
Die Menschen sind sehr zahlreich erschienen und die Vertreter beginnen zu sprechen. Sie sprechen von ihrer Angst, von ihren Befürchtungen und dem Mangel an Sicherheit. In dieser Nacht haben die Seleka zwei Häuser angezündet und ein Telefon gestohlen. Die Frauen sind mutiger als die Männer! Eine Frau sagt, dass die Seleka-Rebellen ihren Mann am vergangenen Freitag getötet haben. Sie hat sieben kleine Kinder und nichts mehr! Ihr Zeugnis bringt viele zum Weinen.
Dann beginne ich zu sprechen. Endlich! Seit Monaten warte ich auf den Augenblick, zu schreien und das zu brandmarken, was die Seleka-Rebellen tun, und mit ihnen über 4, 8 und sogar auch 16  Dinge, die sie getan haben,  zu sprechen…und nun, da ich das Publikum habe, fange ich an.
Die Seleka-Rebellen verlangen, dass die Flüchtlinge (es sind mindestens 4500) wieder nach Hause zurückkehren. Aber es gibt überhaupt keine Garantie. Ich sage, dass das Problem nicht die Moslems seien, sondern sie, die Seleka. Sie sind es, die morden, die die Leichen in die Flüsse werfen, die sogar gekommen sind, um mir und dem Roten Kreuz vorzuwerfen, dass wir die Leichen gesucht und beerdigt haben. Es ist die Seleka, die die Menschen verhaftet und foltert. Es ist die Seleka, die droht! ( Und ich sage zu 10/15 : „Du bist es, der in der Hauptstadt den Pater, der eure Verbrechen angeprangert hat, angebrüllt hat, und du hast gesagt, dass du kommen wirst, um mich zu töten.“) Und es ist die Seleka, die schlägt und raubt. Die Barrieren errichtet, unter dem Vorwand, die Menschen zu schützen: Die Wahrheit ist, dass ihr den Menschen Angaben auferlegt, dass ihr plündert, und dass ihr nichts Anderes als eure eigenen Taschen beschützt. Ich habe ihnen auch gesagt, dass sie nach der Flucht der Menschen, die Zuflucht in Bozoum gesucht haben ( es sind mehr als 8000), Geld von den Lastwagen mit den Lebensmitteln des Welternährungsprogramms nehmen, die dazu gezwungen werden, für das Betreten der Stadt zu bezahlen. Ich habe gesagt: „Ihr wollt, dass sie nach Hause zurückkehren, aber in dieser Nacht habt ihr zwei Häuser niedergebrannt, habt ein Telefon gestohlen…wie könnt ihr denken, dass die Menschen euch vertrauen?“
Ich habe ihnen erklärt, dass wir die Türen für alle geöffnet haben, für Christen und Moslems. Dass wir die Lebensmittel allen Menschen geben, die in der Missionsstation sind, aber auch den 2200 Fulbe, die in der Moschee Zuflucht gesucht haben. Wir haben kein Problem mit den Moslems. Das Problem seid ihr, ihr von der Seleka!
Die Seleka-Rebellen haben geantwortet, wir werden sehen. Nach dem Treffen habe ich mich noch bei ihnen aufgehalten. Mir scheint, sie haben verstanden… wir werden sehen!
Gleich danach breche ich auf, um die Fulbe aufzusuchen, die aus den Dörfern und Stadtteilen geflohen sind. Es waren 2200, aber es kommen noch mehr von ihnen dorthin. Sie sind froh, dass wir uns sehen und wir teilen ihr Leid. Sie haben Angst, weil die Anti-Balaka sie angegriffen hat (es gibt Verletzte); deshalb sind sie bewaffnet. Wir treffen auch den Imam, einen Freund, und wir begrüßen uns voller Freude. Ich nutze die Gelegenheit, um allen zu sagen, dass wir nichts gegen die Moslems haben, dass wir alle zusammen in Frieden leben müssen. Es ist ein guter Moment. Ich lade den Imam ein, in der Missionsstation zu den Flüchtlingen zu sprechen. Er sagt ja und wird es machen.
Nach dem Besuch kehre ich zurück und hoffe, dass man von hier aus bis morgen die Menschen auffordern kann, nach Hause zurückzukehren…wenn die Seleka die Bedingungen erfüllt: aufzuhören mit Erpressung und Gewalt!
Um 16.00 Uhr breche ich auf, um  „Oberst“ Yahaya von der Seleka mit dem Sekretär der Präfektur zu treffen. Er ist ein ruhiger Typ und ich nehme die Diskussion von heute Morgen wieder auf: Die Menschen werden nicht zurückkehren, wenn die Seleka weiterhin plündert, mordet und foltert. Es wird heftig diskutiert und ich hoffe, dass man zuhört. Wir werden in den nächsten Nächten und Tagen sehen, ob sich etwas ändert oder nicht.
Ich gehe los, um den Imam zu suchen, und zusammen kehren wir zur Missionsstation zurück, um die Flüchtlinge zu treffen. Ich erkläre und stelle ihnen die Angst unserer muslimischen Brüder vor Augen, die von den Anti-Balaka angegriffen wurden, und ich beharre auf dem Willen, einen jeden zu respektieren und dazu zurückzukehren, zusammen in Frieden zu leben.
Ich erteile dem Imam das Wort, der dazu auffordert, in die Stadtviertel zurückzukehren.
Aber die Menschen haben immer noch Angst. Es wird Zeit brauchen, viel Zeit und viel Arbeit, um zu wahrem Frieden zurückzukehren!
 


















Montag, 9. Dezember 2013

Samstag und Sonntag: Tage der Flüchtlinge






Die Situation in Bozoum ist weiterhin angespannt und schwierig.
Der Samstag war fast ein ruhiger Tag und wir konnten ein paar Dinge organisieren: Es war nötig, sich um die Unterbringung (in 35 Zimmern der Missionsstation, einschließlich der Schulen), um die Hygiene, Nahrung und Sicherheit zu kümmern.
Aber insgesamt war es eine gute Atmosphäre. Für die Kinder ist es wie ein kleiner Ausflug, wohingegen die Erwachsenen, während sie lächeln, besorgt sind.
Am Samstagabend hatte mir die FOMAC ( die multinationale Truppe von Zentralafrika) gesagt, dass sie wahrscheinlich kommen werden, aber nichts ist passiert.
Am Sonntagmorgen feierten wir die Messe, dann gab es gegen 11 Uhr eine Massenpanik: Es ging das Gerücht, dass die Rebellen der Seleka hier in der Missionsstation angekommen seien. An diesem Morgen liegt die Zahl der Flüchtlinge ungefähr bei 3000, aber unaufhörlich kommen weitere aus der Stadt und den Dörfern an. Am Sonntagmorgen gab es 15 km entfernt Zusammenstöße auf der Straße nach Bocaranga, mit zwei toten Rebellen der Seleka. Viele Fulbe sind angekommen. Es sind Nomaden, die Viehzucht betreiben.
Es sind mehr 2200 und wir sind dabei es zu organisieren, ihnen Lebensmittel an die drei Stellen zu bringen, wo sie sich als Flüchtlinge aufhalten.
Immer noch am Sonntag, höre ich gegen 12.45 Uhr einige Schüsse. Ich laufe los, um nachzusehen, aber die Menschen sind ruhig. Später hörte ich, dass im Zentrum ein Jugendlicher erschossen wurde.
Um 15 Uhr brach ich zum zweiten Mal mit dem Roten Kreuz auf. Wir haben sieben Leichen geborgen und sie zu einem Gemeinschaftsgrab gebracht. Mit denen vom Tag davor sind es 12 Menschen: darunter ein Rebell der Anti-Balaka, die anderen sind Zivilisten, die sich aus Angst im Haus versteckt haben.
Wenn man in die Stadt geht, sieht man nur Moslems und Fulbe-Nomaden mit Gewehren, Bogen, Messern und Macheten. Es gibt viel Anspannung und Angst, und ich befürchte, dass es zu einem Massaker kommen kann.
Hier in der Missionsstation haben wir ein paar Barrieren angebracht, und wir lassen niemanden mit Macheten oder Stöcken durch. Heute, am Montag, gab es wieder Drohungen, und die Wachsamkeit ist noch stärker. Wir hoffen auf eine Intervention der Fomac oder der Franzosen.
Heute morgen begegnete ich im Vorbeigehen einigen Moslems aus unserem Gymnasium. Ich freute mich, sie zu sehen, und sie freuten sich auch. Sie bedauern diese Anspannung sehr.
Ich lud sie ein, am Nachmittag zu einem Spiel zu kommen…..ein kleines Zeichen der Hoffnung!