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Freitag, 21. Februar 2014

Einige Funken Hoffnung




Chrétiens et Musulmans ensemble, à Tatale
Cristiani e Musulmani insieme, a Tatale

l'école de BATA
La scuola di Bata



 
Bozoum beginnt, wieder Atem zu holen, aber die Spannung bleibt hoch. In diesen Tagen gab es nur wenige Schüsse, aber man muss aufpassen.
Jeden Morgen um 8 Uhr findet eine Versammlung statt , an der der stellvertretende Präfekt, der Chef der Misca-Soldaten, ich, das Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen, UNHCR und OCHA (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs), Justitia et Pax, die Caritas und ein evangelischer Pastor teilnehmen. Es wird über die Lage und über Lösungen gesprochen.
Im übrigen Land bleibt die Lage angespannt: in Bangui gibt es jeden Tag viele Schüsse, in Bocaranga und Ngaundaye hat man vor der Anwesenheit der Rebellen von Baba Ladde, die aus dem Tschad stammen, Angst.
In unserer Pfarrei von Baoro (wo mehr als 3000 christliche und muslimische Flüchtlinge waren) beginnen die Menschen, nach Hause zurückzukehren, und 1000 Fulbe haben sich auf den Weg nach Kamerun gemacht.
Die Lebensmittel des Welternährungsprogramms sind endlich angekommen und wir haben begonnen, sie an 1500 Familien (ungefähr 6000 Personen) zu verteilen, deren Häuser abgebrannt sind. Die meisten Menschen haben begonnen, sie wieder aufzubauen, und oft sehen wir sie das Dach  erneuern oder Stroh suchen.
Am Samstag und Sonntag hatten wir Besuch, der uns DREIfach glücklich gemacht hat:
Erstens, weil wir seit November , abgesehen von einigen ONGs, keinen Besuch hatten.
Zweitens, weil zwei Patres unserer Provinz Genua ( Pater Marco und Bruder Claudio) gekommen sind, um das Mitgefühl und die Gemeinschaft unserer Ordensfamilie zu bezeugen.
Und drittens, weil Pater Emilio Martínez, der Generalvikar der Unbeschuhten Karmeliten, gekommen ist, um die Wertschätzung und die Gebete von Tausenden Karmeliten, Klausurschwestern  und  Laien des Karmels auszudrücken.
Ihre An- und Abreise war ein Abenteuer, weil sie aus Kamerun mit dem Bus nach Zentralafrika gekommen und von Bangui unter Schüssen abgefahren sind.
Wir fahren mit dem Monitoring der Schulen in Bozoum und in den Dörfern fort. Wir haben zwei Projekte, von denen das eine von der Regierung der Tschechischen
Republik, das andere von UNICEF finanziert wird. In Bozoum gehen etwas mehr als 50% der Schüler wieder in die Schule. Das ist nicht viel, aber immerhin schon etwas.
Am Freitag, d. 21. Februar, fuhr ich in die beiden Dörfer Bokpayen und Tatale, die 60 km entfernt liegen. Sie beherbergen weitere 700 Fulbe. Das ist ziemlich selten, aber kein Einzelfall!
Wir trafen uns mit den Bewohnern des Dorfes und haben sie ermutigt, sich auf einen Weg des Friedens und des Zusammenlebens zu machen.
Ein kleines Körnchen Hoffnung in einem Land, in dem die Spannungen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften weiterhin  größer werden.


Distribution du matériel scolaire à Bockpayen
Distribuzione di quaderni e matite a Bockpayen


Réunion à Tatale

Chretiens et Mususlmans, réfugiés à la Paroisse de Baoro
Cristiani e musulmani rifugiati nella Parrocchia di Baoro

Pères et Soeur de Baoro au travail pour les réfugiés
Padri (Daniel e Dieudonné) e Suore al lavoro per i rifugiati



Samstag, 15. Februar 2014

Der Kampf geht weiter




Antibalaka à Bozoum


 
Während hier der Harmattan weht, ist das Land weiterhin den Erschütterungen und Stürmen der Gewalt ausgesetzt: Eine Gemeinschaft ist gegen die andere, neue Rebellen sind gegen die alten…Wir versuchen, weiterzukommen, aber nichts ist sicher.
Ein bisschen überall, hier in Bozoum, in Bouar, in Bocaranga, in Ngaundaye…wir sehen den Wahnsinn des Bürgerkrieges und dass die Träume von Frieden und Entwicklung schwinden.
Aber man darf nicht verzweifeln.
Es gibt aber auch gute Nachrichten. Hyppolite, der Junge aus Bozoum, der von der Hüfte an abwärts gelähmt ist, ist in Italien angekommen und hatte am Mittwoch eine größere Operation, und es geht ihm gut!
Ein Dankeschön an die Ärzte, an das Personal, an Maurizio, Marta und Alessandra und an alle, die dazu beigetragen haben, einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen!
 
Samstag, 8. Februar 2014
 
In der vergangenen Nacht wurde noch geschossen!
Mittags hatten wir eine Versammlung mit den (wenigen) zivilen Autoritäten und den Anti-Balaka. Und alle sagten: „Jetzt ist es genug! Wir haben es geschafft, dass die Seleka abzieht, alle Moslems sind abgezogen, und was wollen sie noch mehr?“
Wir haben geschimpft und versucht, ihnen klarzumachen, dass Schießen, Rauben, Plündern, Verletzen und Töten jede Entwicklung verhindert!
Wir haben darum gebeten, dass es keine Waffen, keine militärischen Uniformen und keine Schüsse mehr in der Stadt gibt!
Bis jetzt ist es ziemlich gut; seit Mittag gibt es keine Schüsse.
Hoffen wir weiter!
Heute Mittag hat mich ein Moslem aus Bozoum, der mit dem Konvoi am Dienstag aufgebrochen war, angerufen, um mir mitzuteilen, dass sie gut im Tschad angekommen seien, und um mich zu grüßen. Dieser Anruf hat mich sehr gefreut!
Um 22.30 Uhr kommt die letzte Nachricht des Tages: Unser Hyppolite ist auf dem Flughafen in Bologna angekommen!
 
Sonntag, 9. Februar 2014
 
Es gab ein paar Schüsse in der Nacht; am Tag war es ziemlich ruhig.
Heute habe ich zwei Messen mit violetten Paramenten gefeiert, ohne Gloria und mit wenigen Liedern. Ich habe gesagt, dass es eine Bußmesse sei, um für unsere Sünden um Vergebung zu bitten, besonders dafür, dass die Moslems weggehen mussten, und vor allem dafür, dass viele sich darüber gefreut und es gefeiert haben und auch dafür, dass einige das ausgenutzt haben, indem sie Schlechtes taten und plünderten.
 
Montag, 10. Februar 2014
Ich treffe mich mit den Anti-Balaka, die die Gendarmerie besetzt haben. Schließlich haben sie davon abgelassen – aber nur, um ein anderes Haus zu besetzen!
 
Dienstag und Mittwoch, 11. und 12. Februar 2014
 
Mit einem Arzt und einem Verantwortlichen der „Ärzte ohne Grenzen“ brechen wir um 6 Uhr Richtung Bocaranga, Ndim und Ngaudaye auf, wo wir nach 210 Kilometern auf einer katastrophalen Straße gegen 16 Uhr ankommen.
Wir treffen auf Personen mit selbst gemachten Waffen, aber es gibt keine Straßensperren (bei unserer Rückkehr sollten wir drei vorfinden) . Wir wissen, dass sich in Bang an der Grenze zu Kamerun Rebellen von Baba Laddé aufhalten, und dass die Anti-Balaka ohne Erfolg versuchen, sie zu vertreiben.
An diesem Dienstag haben diese Rebellen Dörfer zwischen Bang und Naudaye in Brand gesteckt,  und die Gefahr eines Angriffs ist hoch. Vor allem, weil trotz der Appelle keine Militärmacht eingegriffen hat, um die Bevölkerung zu schützen,  weder die Franzosen von Sangaris noch die kamerunensischen Soldaten der MISCA, die nicht einmal 150 km entfernt sind.
In den Dörfern finden wir nur wenige Menschen. In Ngaudaye sind einige Häuser niedergebrannt und das Hospital ist völlig leer. Dort gibt es keine Kranken, keine Ärzte, keine Medikamente.
Vier Kapuziner sind da: Zwei Zentralafrikaner, ein Italiener und ein Pole, außerdem zwei Schwestern und eine polnische Laienhelferin. Alle stehen noch unter Schock seit dem Durchzug der Seleka am 21. Januar. Die Rebellen bedrohten sie, raubten alles, was sie mitnehmen konnten, einschließlich zweier Autos, und nahmen Pater Roland als Geisel. Er wurde nach einigen Stunden freigelassen.
Alle Aktivitäten (die Schulen, das Zentrum für Frauenförderung, das Krankenhaus usw.) sind eingestellt und am Horizont ist es sehr, sehr dunkel.
Man sieht keine Verbesserungen, die Militärkräfte wie die MISCA sind weit davon entfernt, effektiv zu sein: als sie erfuhren, dass die Seleka das Land durchqueren, um in den Tschad zu ziehen, haben sie sie nicht eskortiert. Die Folgen sind deutlich sichtbar: Plünderungen, Brände, Morde und Vergewaltigungen. Andererseits haben sie aber andere eskortiert und nach Paoua begleitet, Richtung Kaga Bandoro. Das ist ein Gebiet, das die Seleka besetzen wollte, um das Land zu teilen.
Auf der Rückreise fuhren wir durch das Dorf Nzakoun, das 14 km von Ngaundaye entfernt ist. Dort haben die Rebellen der Seleka 22 Menschen, darunter 14 Frauen, in ihren eigenen Häusern niedergemetzelt. Sie haben eine Granate auf die Ambulanz gefeuert und sie zerstört.
Wie weit wird dieser Wahnsinn noch gehen?
 
Donnerstag, d. 13. Februar 2014
 
Endlich sind gestern Abend die Soldaten der MISCA in Bozoum angekommen!
Um 8 Uhr findet wie gewöhnlich eine Versammlung statt. Es ist auch ein junger Mann da, der behauptet, ein Soldat der regulären Armee Zentralafrikas (FACA) zu sein. Wir haben einige Zweifel, weil er sagt, er sei auf einer Mission, aber er hat keinen Personalausweis und auch keine Order für eine Mission.
Wir treffen die Soldaten der MISCA und legen unsere Befürchtungen und die Situation der Stadt mit den Anti-Balaka dar, die noch Waffen, beispielsweise Kalaschnikows, haben.
Im Laufe des Tages erhalte ich Nachrichten aus Ngaudaye: Die Soldaten der MISCA sind mittags angekommen, haben die Anti-Balaka und die Rebellen der APRD getroffen und haben sie eingesetzt,  um die Dörfer von Bang anzugreifen, den Grenzposten zu Kamerun, wo sich ca. einhundert  schwer bewaffneter Rebellen der Baba Laddé aufhält.
Als sie dort ankamen, flohen die Rebellen der Baba Laddé mit ihren Waffen in den Busch. Die MISCA soll die Anti-Balaka an dem Ort gelassen haben…
Am Ende befindet sich der Ort in den Händen der Anti-Balaka, die Rebellen sind im Busch.
Die Zukunft? Sie ist rabenschwarz!
Wenn die MISCA nicht an ihrem Ort bleibt, wird es zu einer Katastrophe für das Gebiet, die Grenze, die Dörfer kommen.
Um 16 Uhr treffe ich in Bozoum die Lehrer und Schüler des öffentlichen Gymnasiums, um zu überlegen, wie man die Kurse, die am 11. November angefangen haben und am 4. Dezember unterbrochen wurden, wieder aufnehmen könne.
Das Gymnasium wurde geplündert (Türen, Fenster, Wandtafeln, Bücher…). Wir haben die Schüler gebeten, das, was gestohlen wurde, zu suchen, damit die Kurse am Montag wieder anfangen können. Wir werden sehen!
 





Antibalaka à Bozoum... avec des toles volées
Antibalaka con armi e bagagli (lamiere rubate)


Antibalaka

Boutques pillées en décembre par la Seleka à Ngutere
Negozi saccheggiati dalla Seleka a Ngutere

Ngaundaye: Pères Capucins et Soeurs polonaises à la prière du matin
Ngaundaye: i padri cappuccini e le suore polacche alla preghiera del mattino


le poste de santé de Hanzoung détruit par les Seleka le 4 février
il dispensario di Hanzoung distrutto dalla Seleka il 4 febbraio


Le poste de santé de Hanzoung
il dispensario di Hanzoung

Samstag, 8. Februar 2014

Immer wieder Aufbruch











 
 
 
Sonntag, 2. Februar 2014
 
Nach einigen ruhigen Tagen hören wir gegen 14 Uhr Schüsse von Feuerwaffen.
Am Vormittag haben die kamerunensischen Soldaten der Misca bei ihrem Rundgang in der Stadt einen Mann mit einem Gewehr entdeckt. Sie näherten sich, aber der Mann hat auf einen Soldaten geschossen und ist geflohen.
Die Soldaten haben die Leute gebeten, ihnen zu sagen, wo der Mann wohnt, aber sie haben keine Antwort erhalten. Da ließen sie diese auf den gepanzerten Wagen steigen und befragten jeden einzelnen in ihrer Basis; sie ließen die Leute gehen, ohne den Täter zu finden. (Zwei Frauen kamen dann in das Krankenhaus, eine mit einem gebrochenen Arm, und sagten, sie seien während des Verhörs von den Soldaten der Misca geschlagen worden, aber es ist unmöglich festzustellen, ob das stimmt.)
Gegen 15 Uhr gehe ich in die Stadt. Auf der Hauptstraße sind viele Menschen. Ich suche die Soldaten der Misca auf, die mir ihre Version erzählen. Als ich die Basis verlasse, schreien viele Leute und fordern den Abzug der Misca aus Bozoum. Ich versuche, sie zur Vernunft zu bringen, aber das ist nicht einfach. Ich besuche kurz die 2500 Moslems und die Mbororo, die in ihrem Sektor versammelt sind, und sehe bei der Rückkehr, dass vor der Misca Reifen angezündet waren.
Die Misca schießt ein paar Mal in die Luft und  später werden an vielen Stellen andere Reifen angezündet.
 
 Montag, 3. Februar 2014
 
Trotz der Brände war es eine ziemlich ruhige Nacht.
Die öffentlichen Schulen sind geschlossen. Ein Lehrer und einige Schüler der katholischen Missionsschule werden von einem der Anti-Balaka bedroht, die zahlreich in der Stadt sind, mit Gewehren und Macheten.
Gegen 8 Uhr gehe ich in die Stadt zu einem Treffen mit der Misca, der OCHA, den „Ärzten ohne Grenzen“, und später zu einem anderen Treffen mit vier Anführern der Anti-Balaka.
Von beiden Seiten gibt es Erklärungen, die Diskussion ist gut und ehrlich, aber gegen 9.30 Uhr müssen wir Schluss machen, weil Schüsse zu hören sind. Tatsächlich haben die Anti-Balaka in der Zone, wo sich die 2500 Moslems und Mbororo aufhalten, angegriffen. Trotz des Schutzes der Misca (drei ihrer Soldaten wurden verletzt) gibt es einen Toten und 14 Verletzte, darunter einen Schwerverletzten. Die Verwundeten wurden von  Schusswaffen, Macheten und auch von Granaten getroffen, von denen eine nicht explodierte.
Gegen 13 Uhr scheint die Situation ruhiger zu sein und um 15 Uhr gehe ich dahin, wo sich die Moslems aufhalten.
Am Nachmittag sind keine Schüsse mehr zu hören. Wir werden sehen!
Aber trotz der Schüsse und des Chaos gibt es auch gute Nachrichten!
Hyppolite ist von Bozoum nach Bangui aufgebrochen. Hyppolite, ein Junge, der seit fast vier Jahren von der Hüfte an abwärts gelähmt ist, benötigt Behandlung. Und endlich haben wir heute durch „Ärzte ohne Grenzen“ die Möglichkeit, ein Flugzeug des Roten Kreuzes zu nehmen, das ihn nach Bangui bringt. Von dort soll er am 8. Februar nach Bologna (Italien) aufbrechen.
 
Dienstag und Mittwoch, 4. und 5. Februar 2014
 
Es trifft die Nachricht ein, dass ein Lastwagenkonvoi aus dem Tschad für die Moslems, die in Bozoum geblieben sind, angekommen ist.
Wir wissen nicht, ob sie alle 2500 Zivilisten oder nur einen Teil von ihnen mitnehmen.
Wir versuchen, auf alle Fälle einen sicheren Ort für diejenigen zu finden, die vielleicht zurückbleiben.
Nach den Spannungen vom Montag versuchen wir, Bilanz zu ziehen. Die Urheber der Angriffe auf die Moslems sind junge Männer aus Bozoum, ebenso wie die Personen, die die Waffen der Gendarmerie und der Polizei genommen haben: sechs Kalashnikovs.
Am Dienstag um 12 Uhr kommt der Konvoi in Bozoum an und sofort beginnen sie, Gepäck, Waren und Personen aufzuladen. Alle 2500 Zivilisten fahren auf überladenen Lastwagen weg.  Grüße hin und her. Es tut weh, all diese  Menschen abziehen zu sehen.
Junge Leute, Frauen, Mütter, Kinder, Männer, viele grüßen mich. Bei einigen ist es ein Augenblick größter Emotion. Ein ganzes Leben wieder von vorn anfangen!
Und für einige wird das Leben nicht einfach sein: Sie haben alles verloren!
Im Augenblick der Abreise erhalten wir eine schlechte Nachricht: Die Soldaten der Misca ziehen ab! Wir sind mehr als erstaunt! Wie ist das möglich? In der Stadt gibt es keine Autorität, und die wenigen Karabinieri und Polizisten haben sich am ersten Tag die Waffen stehlen lassen.
Nun der Abzug der Lastwagen, und sobald der letzte Wagen aus der Stadt gefahren ist, bricht die Bevölkerung in lautes Geschrei aus. Es ist die Freude über die Abfahrt der Moslems. Und vielleicht auch Freude darüber, dass ihre Abfahrt gut ging, ohne Unfall.
Aber, wie ich befürchtet hatte, beginnen sofort die Schüsse.
Wie kann man nur eine Stadt in diesem Zustand lassen?
Es gibt keine Autorität. Der Präfekt ist seit zwei Monaten abwesend. Es gibt keine Möglichkeit, die Gewalt einzudämmen.
Auch wenn die Soldaten der Misca zurückkehren sollten, müsste man bei null anfangen, und das  wird nicht leicht sein.
 
 
 Donnerstag und Freitag, 6. und 7. Januar 2014
 
Dank des unverantwortlichen Abzugs der Misca und der fehlenden Ordnungshüter dürfen wir  zwei Nächte mit Schüssen erleben, die sich auch am Tag wiederholen.
Der Markt ist voller Waren, Gemüse und landwirtschaftlicher Produkte, aber es gibt nur wenige Käufer. Der Abzug der Moslems und der Fulbe wird schwerwiegende Konsequenzen haben. Die Preise für importierte Waren ( Seife, Treibstoff, Öl, Salz und Zucker) sind um 50-100%  gestiegen. Der Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte ist wegen der fehlenden Kunden schwierig.
Dutzende von jungen Männern sind in der Stadt. Ich spreche sie an und manchmal gelingt es mir, sie zum Abzug zu bringen, manchmal ist ihre Reaktion heftig: Sie behaupten, bewaffnet zu sein, um Diebe und Plünderer abzuwehren ( und sind doch oft selbst Diebe…), oder sie behaupten, bezahlt zu werden. Von wem? Und was haben sie nach all diesen Plünderungen getan?
Auf einem Motorrad sehe ich drei Personen, von denen zwei mit Gewehren bewaffnet sind. Ich halte sie an, mache ihnen Vorwürfe, und dann frage ich den in der Mitte nach seinem Alter. Er antwortet mir: 14 Jahre! Ich habe ihm gesagt, er solle vom Motorrad absteigen, und habe ihm seine Stöcke weggenommen.
Am Donnerstagvormittag fahre ich 10 km nach Bata, um die Schulen zu besuchen und Lebensmittel zu bringen.
Wir kommen langsam voran. Und manchmal weiß man nicht einmal, ob man zurück oder vorwärts geht.
Natürlich macht das Fehlen einer zivilen oder militärischen Autorität die Lage nicht einfacher.
Die einzige Lösung ist das Erwachen des Bewusstseins und der Verantwortung auf Seiten der Bevölkerung!








Samstag, 1. Februar 2014

Die Lage bessert sich nicht!









In diesen Tagen besuchte ich zwei Städte in der Umgebung:
Bocaranga, 125 km nördlich. Hier hat die Seleka am Dienstag, d. 21. Januar, angegriffen.
Sie schossen auf die Menschen, die in der katholischen Missionsstation Zuflucht gesucht hatten, und nachdem sie alles geraubt hatten, was sie konnten, schossen sie auf die Patres und die Schwestern. Als sie weg waren, haben die Anti-Balaka die Arbeit zu Ende geführt, indem sie die Geschäfte plünderten und die Häuser der Moslems anzündeten.
 Bossemptélé, 87 Kilometer südlich, eingenommen von den Anti-Balaka, die viele Menschen töteten und alles plünderten, was den Moslems und Fulbe gehörte.
Hier in Bozoum ist die Situation im Vergleich zum Rest des Landes besser: Die Anti-Balaka kommen nicht mit Waffen in die Stadt und es ist ziemlich ruhig, von ein paar Schüssen am Tag abgesehen.
Am Montagmorgen haben die öffentlichen Schulen den Unterricht wieder aufgenommen, und das ist eine gute Nachricht.
Am Dienstag besuchten uns einige Beamte der Vereinten Nationen und wir versuchten, die Menschen dazu zu bewegen, mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Es waren auch Journalisten dabei. Hier der Artikel des Journalisten Adrien Jaulmes vom „Figaro“.
Bozoum, Sonderbericht:
 
In den Dörfern wie in der kleinen Stadt Bozoum ist Pater Aurelio eine Berühmtheit. Wenn er mit seinem Auto vorbeifährt, winken ihm die Leute , und sein Wagen ist sofort umringt, wenn er anhält. In der ganzen Umgebung erkennen die Leute ihn schon von Weitem an seiner Gestalt. Sehr schmal, 10 Jahre jünger aussehend als 52 Jahre, ein kleines Holzkreuz um den Hals, ein blaues Hemd, eine kurze Sommerhose und  Sandalen, die rot von Laterit sind, ein kurzer Bart. Der italienische Missionar wird überall empfangen als der Mann, der Hoffnung, Ermutigung und Beruhigung bringt.
Auf seinem einsamen Posten in dieser Stadt, die mehr als 400 km nordwestlich von Bangui liegt, sind seine einzigen Waffen ein Mobiltelefon, seine außerordentliche Energie und sein unverwüstlicher physischer und moralischer Mut.  Pater Aurelio hat monatelang einen fast unmöglichen Kampf geführt.
Er weigert sich, die Gewalt als unvermeidbar anzusehen, und versuchte, den schrecklichen Teufelskreis von Übergriffen und Gewalt, der in Zentralafrika anfing, zu beenden. Oder, wie er es schreibt, „ein bisschen Menschlichkeit und Rationalität in den Wahnsinn des Bürgerkriegs zu bringen.“
Pater Aurelio ist es nicht gelungen, alle Gewalttaten und Zerstörungen verhindern. Aber manchmal hat er es geschafft, den einen oder anderen dazu zu bringen, auf die Vernunft zu hören, und manchmal hat er geholfen, das Schlimmste zu vermeiden. Seit Monaten führt er seinen persönlichen Kampf,  um vor den wachsenden Gefahren zu warnen. Als sich die Höllenmaschinerie erst einmal in Gang gesetzt hatte, intervenierte er, um zu versuchen, beide Seiten dazu zu bringen, die Waffen niederzulegen, sammelte selbst die Macheten und Gewehre ein, sprach mit den Mördern, versuchte, die Gemüter zu beruhigen und zu vermitteln, um ein Blutbad zu vermeiden.
Der Karmelitenpater Aurelio Gazzera kam in den frühen 90ern nach Zentralafrika und ist seit 2003 für die Gemeinde St. Michael in Bozoum verantwortlich. Die Ankunft der Seleka-Rebellen in der kleinen Stadt hat seine apostolische Sendung verändert.
Als die Rebellen – eine moderne und afrikanische Form der mittelalterlichen Räuberbanden - am 26. März 2013 mit ihren Pickups aus dem Norden in Bozoum ankommen, verhalten sie sich hier wie im Rest des Landes: sie sind gewalttätige Banditen, die stehlen, rauben, erpressen, Lösegeld fordern, foltern und töten.
„Sie haben von Anfang an wer weiß was alles gemacht,“ sagte Pater Aurelio, der immer versuchte, ihren Gewalttaten einen Riegel vorzuschieben. „Ich habe regelmäßig ihren Hauptmann besucht , Oberst Yahya Massar,“ sagte er. „Wenigstens mit ihm konnte man vernünftig reden. Aber er hatte nicht immer großen Einfluss auf seine Leute.“
Pater Aurelio hat selbst die Brutalität der Milizen erfahren. „Die Seleka-Rebellen hatten einen jungen Mann 10 Tage lang gefoltert. Sie ließen ihn so lange gefesselt, dass er seine Hände nicht mehr gebrauchen konnte. Ich bin hingegangen und habe ihnen gesagt, dass sie nicht das Recht hätten, Menschen zu foltern. Sie sagten mir, sie seien Soldaten und könnten machen, was sie wollten. Einer von ihnen wurde wütend und schlug mich. Ich bin gegangen, aber sie schienen jedenfalls ein bisschen Angst vor mir zu haben. Im Grunde sind es Feiglinge, die sich an den Schwächeren auslassen. Wenn man sie hart anfasst, schafft man es, sie zu bezwingen, wenigstens teilweise.“
In seinem Blog berichtet Pater Aurelio von diesen Gewalttaten und von der zunehmenden Spannung, die er beobachtet. Er versucht, Alarm zu schlagen, um die öffentliche Meinung, die Medien und die Regierungen auf den Flächenbrand aufmerksam zu machen, der Zentralafrika zu verschlingen beginnt.
„Wir haben sehr schnell gesehen, dass die Brutalität der Seleka furchtbare Konsequenzen hat und dass der Hass zwischen den Bevölkerungsgruppen wächst“, sagte Pater Aurelio. „Seit August organisierten sich die Menschen, die über die Gewalt, die Diebstähle und die Folterungen aufgebracht waren, in den Milizen der Anti-Balaka.“
Die Zerschlagung des Schreckensregimes der Ex-Seleka (als solche wird sie seit der fiktiven Zerschlagung der Bewegung bezeichnet) durch das Eingreifen der französischen Truppen und denen der Nachbarstaaten Mitte Dezember löst eine neue Welle von Mord und Zerstörung in Bozoum und in der ganzen Zentralafrikanischen Republik aus.
Die Rollen sind plötzlich umgekehrt. Die Anti-Balaka, Bauernmilizen, die mit Macheten und selbst hergestellten Gewehren bewaffnet sind, greifen an. Die Moslems in der Stadt und die Fulbe, die Hirten sind, die zu Recht oder zu Unrecht mit der Seleka in Verbindung gebracht werden und deshalb verhasst sind, werden die Opfer der Gewalt.
Der Höhepunkt ist am 10. Januar durch den  erzwungenen Rücktritt von Präsident Djotodia erreicht, der dem Schein der Macht der Ex-Seleka in Bangui ein Ende setzt.
Die in Bedrängnis geratenen Milizen der Seleka sind entfesselt, als ob sie hinter sich nur Ruinen und  Zerstörung lassen wollten.
Seite an Seite mit Moslems und Fulbe, die ihre Verbündeten sind, verwüsteten sie die Dörfer um die Stadt herum und terrorisierten die Bevölkerung. „Sie handelten mehr aus Dummheit und Bosheit als zu einem bestimmten Zweck“, meint Pater Aurelio. Mindestens 1300 Häuser wurden in Brand gesteckt. Die in Angst und Schrecken versetzten Bewohner flohen in den Wald oder suchten Zuflucht in der Gemeinde St. Michael in Bozoum.
Das Dorf Boyele im Norden der Stadt ist völlig niedergebrannt worden. Die Bewohner sitzen auf den  Stufen ihrer armseligen Häuser, die durch das Feuer schwarz sind, und suchen die kleinen Dinge, die der Zerstörung durch das Feuer entgangen sind. Einige versuchen, etwas, was zumindest den Anschein eines Daches erweckt, auf den Überresten der Mauern anzubringen.
Die Bevölkerung von Boyele verdankt ihre Rettung der Flucht. „Am Morgen des 10. Januar hörten wir Schüsse,“ sagt ein Dorfbewohner, „also sind wir in den Wald geflohen.“
Die Seleka-Rebellen und die Fulbe kamen und haben die Häuser in Brand gesteckt. Wir haben den Rauch, der zum Himmel stieg, gesehen. Als wir am Nachmittag zurückkehrten, war alles zerstört. Wir haben alles verloren: das Saatgut, die Ernte, die Möbel, die Häuser.“
Zur Vergeltung griffen die Anti-Balaka Häuser der Moslems an und legten einen Hinterhalt auf den Straßen. Die Moslems suchten in Bozoum Zuflucht, das noch in der Hand der ehemaligen Seleka-Rebellen ist, die aber jetzt umstellt sind. „Die Situation war äußerst kompliziert,“ sagte Pater Aurelio. „Wir hatten 3500 Flüchtlinge in der Gemeinde, ungefähr 1500 Fulbe bei der Moschee, und 50 Seleka-Rebellen in der Stadt, die potenziell immer gefährlich sind.“
Der Priester versucht zu vermitteln. „Als man mich aus dem Tschad anrief, um mich zu bitten, die Evakuierung der muslimischen Zivilbevölkerung zu organisieren, gab ich zur Antwort, dass sie eine Bedingung akzeptieren müssten: Sie müssten ebenfalls alle Seleka-Rebellen mitnehmen . Ich habe zwei Tage damit verbracht, die Seleka zu überzeugen, abzuziehen. Bis zur letzten Minute haben sie versucht zu bleiben. Zum Schluss habe ich der Misca ( Soldaten der multinationalen Truppe der Länder Zentralafrikas) gedroht, dass ich mein Auto nehme, um ihnen auf der Brücke über den Ouham die Straße zu versperren, und ich habe gesagt, dass sie mich erschießen müssten, um weiterzufahren.“
Die Brücke wurde 1943 von italienischen Kriegsgefangenen zur Zeit von Französisch- Äquatorialafrika gebaut und ist der einzige Übergang Richtung Norden an der Grenze zum Tschad und der einzige Fluchtweg für die Moslems und die Seleka.
Schließlich stimmte die Seleka zu, die Stadt zu verlassen. Aber Pater Aurelio wird sofort das Ziel der muslimischen Gemeinde, die sehr wütend ist wegen des Abzugs der Seleka, die ihnen Schutz geboten habe. „Es war ein Augenblick höchster Spannung!“, sagte er. „Viele Moslems umringten mein Auto und begannen mit Steinen zu werfen,“ meinte er wie beiläufig. Die Windschutzscheibe seines Toyota ist ein Mosaik von Bruchstücken. „Überraschenderweise wurde ich von einem Moslem und einem Seleka-Rebell beschützt. Dieser hieß 10/15 und war einer der härtesten Männer.“
In der Missionsstation „Sankt Michael“ glauben alle, dass der Pater getötet wurde. „Als ich zurückkehrte, kam es zu einem Freudenausbruch. Die Menschen glaubten an ein Wunder. Sie warfen Kleidung auf den Boden, um mich zu begrüßen – es war wie Palmsonntag.“
Gerade ist die Gefahr durch die Seleka vorbei, da ist Pater Aurelio mit der Rache der Bevölkerung konfrontiert, die nach den Monaten des Terrors wie irrsinnig ist. Opfer werden oft zu den größten Henkern, und jetzt sind die Moslems an der Reihe, für die Gewalttaten durch die Seleka zu büßen. „Die Anti-Balaka sind das Problem geworden,“ sagte Pater Aurelio. „Viele sind Verbrecher ohne Hierarchie, ohne Führer, die da sind, um das Gesetz zu brechen, zu töten und zu rauben. Einige nehmen Kinder der Fulbe als Geiseln, um Lösegeld zu erpressen, zerstören deren Eigentum und zerstreuen ihre Herden. Es ist schwierig, die Menschen dazu zu bringen, zwischen Seleka, Moslems und Fulbe zu unterscheiden,“sagte Pater Aurelio. „Die Moslems haben es nicht geschafft, sich deutlich von der Seleka zu distanzieren, und dafür zahlen sie den Preis.“
Ohne jemanden zu entschuldigen, zweifelt der Pater nicht an den Ursachen der Gewalt.
„Die Fulbe z.B. sind Opfer der eigenen Fehler. Sie waren nicht in der Lage, ein wenig weiter zu sehen. Sie verbündeten sich mit der Seleka, ohne an die Konsequenzen zu denken. Ich habe versucht, sie zu warnen, dass sie sich eines Tage in einer unerträglichen Lage befinden würden. Würden sie sich mit ihren Herden in der Stadt niederlassen wollen, wenn sie nicht mehr draußen auf dem Land bleiben könnten? Aber sie wollten nicht hören.“
Unter dem Schutz der Misca, die mit einer kleinen Abteilung aus Kamerun anwesend ist, leben 2500 Moslems eingepfercht in einer kleinen Straße am Markt von Bozoum. Diese Flüchtlinge  sitzen zwischen ihren Taschen und den wenigen Sachen, die sie aus den geplünderten Häusern mitnehmen konnten, und warten darauf, das Land zu verlassen. „Zentralafrika ist vorbei für uns,“ sagte Djodo Mahamatom, Sprecher der Händler von Bozoum, vor seiner Ladentheke, wo er Gold und Diamanten ankauft.  „Wir können nicht in diesem Land bleiben.“
Ganze Familien der Fulbe- das sind Hirten, Halbnomaden mit oft heller Haut- kochen ihre Mahlzeiten auf kleinen Öfen. Die Frauen tragen bunte Kleidung, haben die Haare geflochten, tragen Silberschmuck und einige haben schöne Tätowierungen auf das Gesicht und die Arme gemalt.
Pater Aurelio bringt den Flüchtlingen jeden Tag Säcke mit Reis, die er auf eigene Kosten gekauft hat. „Der böse Pater ist gekommen, um gute Sachen zu bringen!“, hat zu ihm der Leiter des Bezirks gesagt, Saleh Ibrahim. „Er scherzt“, sagt Pater Aurelio,“ So haben sie mich genannt, als sie mich töten wollten. Unter diesen Leuten sind welche, die mich neulich mit Steinen beworfen haben,“ sagt’s und grüßt die Moslems, die auf ihren Bündeln sitzen so, als wäre nichts gewesen
„Unsere einzige Hilfe ist „Monsieur Aurelio““, sagte Saleh Ibrahim. „Wir haben alles verloren, unsere Geschäfte sind geplündert, sie haben unser Vieh gestohlen. Man kann diese Straße nicht verlassen. Geht man nur ein paar Meter hinter die kamerunensischen Soldaten, töten uns die Anti-Balaka oder entführen unsere Kinder.“
„Wir wollen dieses Land verlassen, aber wir haben nicht einmal die Lastwagen dafür,“ sagte der alte Chef, der 45 Jahre in Bozoum gelebt hat. „Ich bin alt, aber die Jungen müssen einen sicheren Platz für ihr Leben finden.“
Saleh Ibrahim ist einer die vielen Muslime, die eher Opfer als als Komplizen der Seleka sind. „Es ist die Ankunft der Seleka, die Bozoum entzweit hat. Vor ihnen gab es keine Gewalt zwischen uns und den Christen. Sie haben uns geschadet.“
Für Pater Aurelio ist dieser Bürgerkrieg kein Religionskrieg. „Ich denke, dass wir diesen Begriff vermeiden sollten: Es gibt keine christlichen und keine muslimischen Milizen. Das ist hauptsächlich ein politisches, ethnisches und kulturelles Problem. Ich glaube nicht, dass die Seleka jemals ein Programm zur Islamisierung hatte. Es waren Moslems mit arabischer Sprache und sie haben sich auf die muslimische Gemeinde, auf die Händler und auf die Fulbe als Züchter  verlassen. Aber jetzt ist der Schaden angerichtet, und es wird schwer sein, ihn rückgängig zu machen."