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Samstag, 8. Februar 2014

Immer wieder Aufbruch











 
 
 
Sonntag, 2. Februar 2014
 
Nach einigen ruhigen Tagen hören wir gegen 14 Uhr Schüsse von Feuerwaffen.
Am Vormittag haben die kamerunensischen Soldaten der Misca bei ihrem Rundgang in der Stadt einen Mann mit einem Gewehr entdeckt. Sie näherten sich, aber der Mann hat auf einen Soldaten geschossen und ist geflohen.
Die Soldaten haben die Leute gebeten, ihnen zu sagen, wo der Mann wohnt, aber sie haben keine Antwort erhalten. Da ließen sie diese auf den gepanzerten Wagen steigen und befragten jeden einzelnen in ihrer Basis; sie ließen die Leute gehen, ohne den Täter zu finden. (Zwei Frauen kamen dann in das Krankenhaus, eine mit einem gebrochenen Arm, und sagten, sie seien während des Verhörs von den Soldaten der Misca geschlagen worden, aber es ist unmöglich festzustellen, ob das stimmt.)
Gegen 15 Uhr gehe ich in die Stadt. Auf der Hauptstraße sind viele Menschen. Ich suche die Soldaten der Misca auf, die mir ihre Version erzählen. Als ich die Basis verlasse, schreien viele Leute und fordern den Abzug der Misca aus Bozoum. Ich versuche, sie zur Vernunft zu bringen, aber das ist nicht einfach. Ich besuche kurz die 2500 Moslems und die Mbororo, die in ihrem Sektor versammelt sind, und sehe bei der Rückkehr, dass vor der Misca Reifen angezündet waren.
Die Misca schießt ein paar Mal in die Luft und  später werden an vielen Stellen andere Reifen angezündet.
 
 Montag, 3. Februar 2014
 
Trotz der Brände war es eine ziemlich ruhige Nacht.
Die öffentlichen Schulen sind geschlossen. Ein Lehrer und einige Schüler der katholischen Missionsschule werden von einem der Anti-Balaka bedroht, die zahlreich in der Stadt sind, mit Gewehren und Macheten.
Gegen 8 Uhr gehe ich in die Stadt zu einem Treffen mit der Misca, der OCHA, den „Ärzten ohne Grenzen“, und später zu einem anderen Treffen mit vier Anführern der Anti-Balaka.
Von beiden Seiten gibt es Erklärungen, die Diskussion ist gut und ehrlich, aber gegen 9.30 Uhr müssen wir Schluss machen, weil Schüsse zu hören sind. Tatsächlich haben die Anti-Balaka in der Zone, wo sich die 2500 Moslems und Mbororo aufhalten, angegriffen. Trotz des Schutzes der Misca (drei ihrer Soldaten wurden verletzt) gibt es einen Toten und 14 Verletzte, darunter einen Schwerverletzten. Die Verwundeten wurden von  Schusswaffen, Macheten und auch von Granaten getroffen, von denen eine nicht explodierte.
Gegen 13 Uhr scheint die Situation ruhiger zu sein und um 15 Uhr gehe ich dahin, wo sich die Moslems aufhalten.
Am Nachmittag sind keine Schüsse mehr zu hören. Wir werden sehen!
Aber trotz der Schüsse und des Chaos gibt es auch gute Nachrichten!
Hyppolite ist von Bozoum nach Bangui aufgebrochen. Hyppolite, ein Junge, der seit fast vier Jahren von der Hüfte an abwärts gelähmt ist, benötigt Behandlung. Und endlich haben wir heute durch „Ärzte ohne Grenzen“ die Möglichkeit, ein Flugzeug des Roten Kreuzes zu nehmen, das ihn nach Bangui bringt. Von dort soll er am 8. Februar nach Bologna (Italien) aufbrechen.
 
Dienstag und Mittwoch, 4. und 5. Februar 2014
 
Es trifft die Nachricht ein, dass ein Lastwagenkonvoi aus dem Tschad für die Moslems, die in Bozoum geblieben sind, angekommen ist.
Wir wissen nicht, ob sie alle 2500 Zivilisten oder nur einen Teil von ihnen mitnehmen.
Wir versuchen, auf alle Fälle einen sicheren Ort für diejenigen zu finden, die vielleicht zurückbleiben.
Nach den Spannungen vom Montag versuchen wir, Bilanz zu ziehen. Die Urheber der Angriffe auf die Moslems sind junge Männer aus Bozoum, ebenso wie die Personen, die die Waffen der Gendarmerie und der Polizei genommen haben: sechs Kalashnikovs.
Am Dienstag um 12 Uhr kommt der Konvoi in Bozoum an und sofort beginnen sie, Gepäck, Waren und Personen aufzuladen. Alle 2500 Zivilisten fahren auf überladenen Lastwagen weg.  Grüße hin und her. Es tut weh, all diese  Menschen abziehen zu sehen.
Junge Leute, Frauen, Mütter, Kinder, Männer, viele grüßen mich. Bei einigen ist es ein Augenblick größter Emotion. Ein ganzes Leben wieder von vorn anfangen!
Und für einige wird das Leben nicht einfach sein: Sie haben alles verloren!
Im Augenblick der Abreise erhalten wir eine schlechte Nachricht: Die Soldaten der Misca ziehen ab! Wir sind mehr als erstaunt! Wie ist das möglich? In der Stadt gibt es keine Autorität, und die wenigen Karabinieri und Polizisten haben sich am ersten Tag die Waffen stehlen lassen.
Nun der Abzug der Lastwagen, und sobald der letzte Wagen aus der Stadt gefahren ist, bricht die Bevölkerung in lautes Geschrei aus. Es ist die Freude über die Abfahrt der Moslems. Und vielleicht auch Freude darüber, dass ihre Abfahrt gut ging, ohne Unfall.
Aber, wie ich befürchtet hatte, beginnen sofort die Schüsse.
Wie kann man nur eine Stadt in diesem Zustand lassen?
Es gibt keine Autorität. Der Präfekt ist seit zwei Monaten abwesend. Es gibt keine Möglichkeit, die Gewalt einzudämmen.
Auch wenn die Soldaten der Misca zurückkehren sollten, müsste man bei null anfangen, und das  wird nicht leicht sein.
 
 
 Donnerstag und Freitag, 6. und 7. Januar 2014
 
Dank des unverantwortlichen Abzugs der Misca und der fehlenden Ordnungshüter dürfen wir  zwei Nächte mit Schüssen erleben, die sich auch am Tag wiederholen.
Der Markt ist voller Waren, Gemüse und landwirtschaftlicher Produkte, aber es gibt nur wenige Käufer. Der Abzug der Moslems und der Fulbe wird schwerwiegende Konsequenzen haben. Die Preise für importierte Waren ( Seife, Treibstoff, Öl, Salz und Zucker) sind um 50-100%  gestiegen. Der Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte ist wegen der fehlenden Kunden schwierig.
Dutzende von jungen Männern sind in der Stadt. Ich spreche sie an und manchmal gelingt es mir, sie zum Abzug zu bringen, manchmal ist ihre Reaktion heftig: Sie behaupten, bewaffnet zu sein, um Diebe und Plünderer abzuwehren ( und sind doch oft selbst Diebe…), oder sie behaupten, bezahlt zu werden. Von wem? Und was haben sie nach all diesen Plünderungen getan?
Auf einem Motorrad sehe ich drei Personen, von denen zwei mit Gewehren bewaffnet sind. Ich halte sie an, mache ihnen Vorwürfe, und dann frage ich den in der Mitte nach seinem Alter. Er antwortet mir: 14 Jahre! Ich habe ihm gesagt, er solle vom Motorrad absteigen, und habe ihm seine Stöcke weggenommen.
Am Donnerstagvormittag fahre ich 10 km nach Bata, um die Schulen zu besuchen und Lebensmittel zu bringen.
Wir kommen langsam voran. Und manchmal weiß man nicht einmal, ob man zurück oder vorwärts geht.
Natürlich macht das Fehlen einer zivilen oder militärischen Autorität die Lage nicht einfacher.
Die einzige Lösung ist das Erwachen des Bewusstseins und der Verantwortung auf Seiten der Bevölkerung!








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