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Samstag, 18. Januar 2014

Tage der Hochspannung




Samstag, 11. Januar 2014
Gestern sind einige Seleka-Mitglieder und viele Moslems in einem Konvoi nach Bangui aufgebrochen, aber die Anti-Balaka haben sie angegriffen. Immerhin hatten die Seleka-Rebellen am Tag zuvor mindestens 700 ihrer Häuser in Brand gesteckt. Es gibt Tote und Verwundete, und ich beschließe hinzugehen, um mir alles anzusehen.
Am Vormittag treffe ich den Imam, um ihm meine Absicht, die Toten und Verletzten zu bergen, darzulegen, aber auch, um bei der Reflexion über die Situation behilflich zu sein.
Um 14 Uhr breche ich mit dem Roten Kreuz auf. Die Straße ist gefährlich, weil die Anti-Balaka beständig anwesend ist. In Bokongo (14 km entfernt) hat die Seleka 70 Häuser angezündet. Nach 20 km stoßen wir auf eine verbrannte Brücke und fahren auf die Seite, aber nachdem wir das Auto angehalten haben, ging die Antriebswelle kaputt…Es gelingt mir, Joseph, unseren Mechaniker, anzurufen, und während wir darauf warten, dass er kommt, gehen wir zu Fuß 5 km. Hier, im Dorf Boyabane, wurden vier Menschen getötet: Die Seleka-Rebellen kamen in der Uniform der Polizei, täuschten die Menschen, indem sie sagten, sie könnten ruhig kommen, und haben sie dann erschossen.
Hier wurden 220 Häuser verbrannt, und sie berichten uns, dass es andere Dörfer an der Straße gebe, wo mindestens 600 Häuser in Brand gesteckt wurden (Bombalou, Boyala, Boyaram). Also hat die Seleka  insgesamt  zwischen dieser Straße und der anderen nach Paoua am 8. und 9. Januar (auf Befehl des stellvertretenden Polizeidirektors (!!!), „General“ Rakis Adoum) mehr als 1300 Häuser verbrannt und mindestens ein Dutzend Menschen getötet. So etwas bei diesen Spannungen zu tun grenzt an Selbstmord! Bei der Rückkehr (Joseph hat das Auto repariert) nehme ich drei Verletzte mit. Kurz darauf finden wir in einem Dorf viele muslimische Frauen vor: Die christlichen Dorfbewohner haben sie beschützt und ich nehme sie alle mit ihren Kindern mit. Um 18.30 Uhr erreiche ich Bozoum.
 Sonntag, 12. Januar 2014
Es verbreitet sich die Nachricht, dass ein Konvoi von Lastwagen aus dem Tschad kommen soll, um Zivilisten, die Bozoum verlassen wollen, mitzunehmen.
Gegen 13 Uhr bittet mich die MISCA von Paoua, zu den Anti-Balaka zu gehen und sie zu bitten, nicht anzugreifen.
Wir denken, dass auch die Seleka die Gelegenheit nutzen wird, nach der Entwaffnung abzuziehen. Diese Lösung würde die Situation beruhigen, weil wir hoffen, dass die Anti-Balaka trotz allem ( und vor allem trotz der 1300 niedergebrannten Häuser!) die Waffen niederlegen und in ihre Dörfer zurückkehren. Der Chef der Sangaris von Bossangoa ist der gleichen Meinung.
Gegen 15 Uhr besuche ich Oberst Yahaya, der verletzt und bettlägerig ist. Er ist sehr schwach; ich erkläre ihm die Lösung: Niederlegung der Waffen und eskortierter Abzug in den Tschad oder nach Bangui. Es gibt eine sehr angeregte Diskussion mit einigen seiner Leute; schließlich brechen wir in der Hoffnung auf, dass sie über diese Möglichkeit, die ihr eigenes Leben, das der Moslems und der Fulbe und das der Stadt Bozoum  retten könnte, nachdenken und sie annehmen.
Wenn sie nicht zustimmen, werden die Anti-Balaka weiterhin kämpfen.
Nach dieser Versammlung treffen wir uns mit zwei Verantwortlichen der muslimischen Gemeinde und erläutern die Fakten.
 Montag, 13. Januar 2014
 Heute sollte ein Konvoi aufbrechen, der von der MISCA, der multinationalen afrikanischen Truppe, und der Armee aus dem Tschad eskortiert wird. Es gab die Vereinbarung, zusammen die Seleka zu entwaffnen und zum Abzug zu bringen. Um 13 Uhr kommen mir Zweifel und ich gehe nachsehen; der Konvoi war fertig zum Aufbruch, ohne die Seleka, und es würde keinen Schutz in der Stadt geben…
Ich habe gesagt, dass es unmöglich sei, eine Stadt in der Hand der Seleka-Rebellen zu lassen, die Rache nehmen würden.
Wir gehen ins Zentrum und versuchen zu diskutieren. Aber viele Moslems waren dagegen, dass die Seleka abzieht, und sie drohten mir und fingen an, Steine auf das Auto zu werfen. Einige kamen mit Waffen, aber einige Moslems haben mich auch verteidigt.
Schließlich entschieden sie, einige Soldaten der FOMAC hier zu lassen, und dann brach der Konvoi auf.
Ich fuhr 20 km vor ihnen her, um die Anti-Balaka zu bitten, den Konvoi nicht anzugreifen.
Der Konvoi bestand aus 50 Lastwagen und Autos und 100 Motorrädern.
Gegen 15 Uhr, als ich noch in der Stadt war, haben die Soldaten ein paar Mal in die Luft geschossen, um die Menschen zu vertreiben. Es ging das Gerücht, dass ich getötet worden sei.
Als ich dann gegen 18.15 Uhr zurückkehrte, schien der Messias gekommen zu sein. Die Menschen schreien und breiten ihre Kleidung auf der Erde vor meinem Auto aus…unvorstellbar!
Als ich ein wenig zur Ruhe gekommen war, sprach ich ein Dankgebet und wir beteten ein Ave Maria für jene, die im Dorf waren, für die, die Gutes tun, und auch für die, die Böses tun.
Dienstag, 14. Januar 2014
Eine ruhige Nacht. Die erste Nacht ohne Seleka in Bozoum: Alle sind mit dem Konvoi Richtung Tschad aufgebrochen, und in Paoua  wurden sie von der Misca entwaffnet.
Die Misca (die Streitkräfte der Länder Zentralafrikas) hat die ganze Nacht lang in der Stadt patrouilliert, aber um 13 Uhr sind sie nach Paoua aufgebrochen und haben die Stadt ohne Schutz zurückgelassen. Wir hoffen, dass es keine Probleme gibt. Morgen sollen sie zurückkehren.
Um 8.30 Uhr brechen wir nach Bossangoa auf. Mehrere Häuser wurden in der letzten Woche von den Seleka niedergebrannt. Hier sind keine Anti-Balaka, aber wir treffen die Menschen, die in der Bibelschule der evangelischen Kirche bei den Brüdern Zuflucht gefunden haben. Eine kleine Versammlung, in der wir den Abzug der Seleka und die Möglichkeit, in ein bis zwei Tagen nach Hause zurückzukehren, verkünden.
Ich bringe auch 240 kg Reis für die 750 Evakuierten.
Dann nehmen wir die Straße nach Bangui und treffen zwei große Gruppen Anti-Balaka, denen wir vom Abzug der Seleka berichten. Wir legen ein Treffen zwischen der Anti-Balaka, der Misca und dem Komitee für Versöhnung für Mittwochnachmittag fest.
Um 16 Uhr fahre ich auf der Straße Bocaranga-Paoua und treffe einige hundert Anti-Balaka. Wir diskutieren lange und werden uns morgen früh wieder treffen. Der Zweck dieser Treffen ist es, den Abzug der Seleka zu erklären, sie zu beruhigen und sie dazu zu überreden, in ihre Dörfer zurückzukehren und die Waffen niederzulegen.
 Mittwoch und Donnerstag, 15. und 16. Januar 2014
 Am Mittwochmorgen trifft nach einer Versammlung des Vermittlungsausschusses mit den Anti-Balaka der Zone Nord von Bozoum eine Mission der OCHA ( Büro für die Koordinierung der Vereinten Nationen) und der UNHCR (UN-Hochkommissariat für die Flüchtlinge) zusammen mit einigen Journalisten der BBC ein. Am Nachmittag fahren wir zusammen auf der Straße Richtung Bangui, um die Anti-Balaka zu treffen. Mit dabei ist der Katechet Jerome, der von der Seleka verhaftet und am letzten Freitag freigelassen worden war.
Eine lange Versammlung, in der wir, wie auch anderswo, versuchen, die Botschaft des Friedens zu verkünden und dazu einzuladen, zur Normalität zurückzukehren.
Aber es ist nicht offensichtlich: Um 20 Uhr sehe ich einige Anti-Balaka bewaffnet auf dem Gelände der Missionsstation zwischen den Flüchtlingen herumlaufen. Ich nehme einigen von ihnen die Waffen weg und sage ihnen, dass sie nicht bewaffnet in die Stadt kommen sollen.
Um 9 Uhr fahren wir nach Bossangoa, aber bei der Rückkehr treffen  wir in der Stadt auf einige bewaffnete Anti-Balaka. Wir fordern sie auf, die Stadt zu verlassen, aber mit nur 11 Soldaten der Misca ist das nicht einfach. Am Nachmittag sehen wir Plünderungen und Gewalttaten von Seiten der Anti-Balaka, die  vor allem die muslimische Gemeinde oder diejenigen, die mit der Seleka sympathisierten, betreffen.
Wir hielten eine Krisensitzung ab und beschlossen eine Ausgangssperre von 20 Uhr bis 5 Uhr.
Nach der Versammlung treffe ich die Moslems, die sehr viel Angst haben, und wir versuchen, sie zu beruhigen. Ich gehe zu Fuß nach Hause und spreche alle Bewaffneten an: entweder sie machen kehrt oder sie trennen sich von den Waffen. Um 20 Uhr kehre ich in die Stadt zurück; die Situation scheint ruhiger zu sein. Es ist klar, dass wir eine militärische Macht brauchen, die mehr Bedeutung hat. Die Misca hat hier nur 11 Soldaten zurückgelassen. Das ist nicht genug, um die Sicherheit zu gewährleisten und die Entwaffnung, die unbedingt nötig ist, zu beginnen.
Freitag, 17. Januar 2014
 Ein Tag voller Durcheinander. Am Vormittag scheint die Situation unter Kontrolle zu sein.
Die Misca wurde mit 12 Mann und einem Panzerwagen verstärkt. Sie haben zwei Kontrollpunkte in der Stadtmitte  errichtet und zunächst klappt es. Die Menschen werden kontrolliert und entwaffnet. Aber die Soldaten nehmen auch die Gri-Gris, die Amulette der Anti-Balaka weg, und das macht sie wütend. Die Situation verschärft sich zusehends.
Ich laufe den ganzen Morgen von rechts nach links, nehme Waffen weg, gebe Rat usw. Gegen 10 Uhr versucht eine große Gruppe in die Stadt zu kommen, aber nach langer Diskussion scheint sie sich zurückzuziehen. Ich kehre zur Missionsstation zurück, aber diese Gruppe hat die Straße zur Stadt genommen. Sie fanden Schusswaffen und fingen an, auf die Misca zu schießen. Die Reaktion erfolgte prompt, mit Schüssen in die Luft.
Um 14.30 Uhr gehe ich zurück, um mir die Situation anzusehen. Es scheint ruhiger zu sein. Um 15.30 Uhr treffen wir uns mit den Anti-Balaka. Das Treffen scheint zu funktionieren. Wir bringen unsere Besorgnis wegen der Situation zum Ausdruck, wegen der Spannung, wegen der Plünderungen (es wurden mindestens 60 Geschäfte geplündert) und der Gewalttaten. Es gab mindestens fünf Verletzte, einer von ihnen ist schwer verletzt.
Wir hören ihre Meinung an und fordern sie auf, Gewalttäter und Diebe auszuschließen. Wir versuchen, sie an der Aufrechterhaltung der Ordnung zu beteiligen.
Morgen werden wir am Nachmittag versuchen, einen Zeitplan aufzustellen und uns über die Bedingungen zu einigen, um Gewalt und Plünderungen zu beenden.
Es ist nicht einfach: Am Abend um 21 Uhr rufen sie mich wegen eines Raubüberfalls. Trotz der Sperrstunde und der Treffen fand ich drei bewaffnete junge Männer vor und  nahm ihnen ein Gewehr ab.











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