Montag und Dienstag, 6.und 7. Januar 2014
Zwei ziemlich ruhige Tage. Ich gehe in die Stadt hinunter, um den
Imam zu begrüßen und in den nördlichen Stadtteilen nach dem Rechten zu
sehen, wo einige Fulbe (mit Hilfe der Seleka, gegen die Anti-Balaka)
einige Häuser angezündet haben, weil sie vermuteten, dass sich dort
Anti-Balaka aufhalten könnten.
Die Stadtteile sind leer… seltsam leer. Wir sehen mindestens 20
Häuser, die nach dem Angriff vom Sonntag angezündet worden waren. Die
Zusammenstöße zwischen der Anti-Balaka und der Seleka haben seit dem 6.
Dezember mindestens 100 Tote zur Folge gehabt, wie es das Rote Kreuz
bestätigt.
Letzte Nacht ist ein kleines Kind von zwei Jahren gestorben, vermutlich an Malaria.
Mittwoch, 8. Januar 2014
Ich muss 300 Liter Diesel für die Orange-Antenne besorgen und fahre dazu nach Paoua.
Ich nutze dies als Vorwand, um am Nachmittag zu den Anti-Balaka
außerhalb der Stadt zu gehen. Sie sind sehr zahlreich (mindestens 400
nur auf diesem Posten) und werden zunehmend nervöser.
Ich stelle die Probleme vor: die Öffnung der Schulen, die seit
einem Monat geschlossen sind, und die Nahrungsversorgung der Stadt
(alle Wochenmärkte, wo die Menschen die Produkte kaufen, sind
geschlossen). Aber es ist immer dieselbe alte Leier: Die Seleka und die
Moslems brauchen nur die Waffen niederzulegen…die Seleka braucht nur
abzuziehen…
Sie sagen, wenn das einmal erreicht sei, würden sie vom Krieg ablassen und friedlich in ihre Dörfer zurückkehren.
Gegen 18.30 Uhr fangen sie an, in der Stadt zu schießen, aber wir
wissen nicht genau, was los ist. Sehr viele Schüsse und Freudenschreie
der muslimischen Bevölkerung sind zu hören. Wir erfahren, dass ein
General der Seleka von Bangui gekommen ist, um das Kontingent in
Bozoum zu verstärken. Es handelt sich um sechs bis zehn Autos und eine
entsprechende Anzahl von Rebellen.
Kein Kommentar!
Donnerstag, 9. Januar 2014
Eine Nacht ohne Schüsse!
Am Vormittag gehe ich zum Krankenhaus, und während ich dort bin,
geht eine Gruppe von 50 Fulbe, die mit Macheten, Pfeil und Bogen und
auch mit drei oder vier Kalachnikovs bewaffnet sind, über den Hof.
Sie gehen zum Fluss Ougham, wo die Seleka am Tag zuvor angekommen
ist. Letztere sind vor einer Stunde aufgebrochen, um die Straße zu
räumen und die Anti-Balaka zu vertreiben.
Trotz der Entfernung hören wir viele Schüsse und gegen Mittag
steigt viel Rauch in jener Richtung auf: Wahrscheinlich hat die Seleka
ein Dorf oder mehrere in Brand gesteckt.
Um 17.30 Uhr kommen die neuen Seleka-Rebellen an. Es sind ein
Polizeidirektor (!!!) und andere Seleka-Rebellen (einige aus
Zentralafrika, andere aus dem Tschad). Wir treffen uns mit ihm und
seinen Männern. Viele Flüchtlinge sind dabei. Er will, dass die Leute in
die Stadt zurückkehren. Wir hören zu, und dann ergreife ich das Wort.
Ich sage ihm, dass die 3000 Menschen, die in der Missionsstation
Zuflucht gesucht haben, nach mehr als einem Monat müde sind. Meinetwegen
könnten sie sofort aufbrechen, aber es gibt ein Sicherheitsbedürfnis.
Die Menschen sind den Aktionen der Seleka und ihrer Rache ausgesetzt;
sie haben Angst vor den Waffen der Moslems und der Fulbe.
Ein Mann und eine Frau ergreifen das Wort und sie sprechen über
ihre Befürchtungen und ihre Angst, zurückzukehren, weil sie den
Seleka-Rebellen ausgeliefert seien.
Nach einem guten Austausch beschließen wir, uns morgen Vormittag wieder zu treffen, weil sie aufbrechen mussten.
Wir haben es immerhin geschafft zu sprechen, und ich habe auch ein
Seleka-Mitglied wütend gemacht, der den Leuten mit dem Maschinengewehr
drohte, um sie auf Distanz zu halten. Ich habe ihm gesagt, er solle
damit aufhören, weil ich in meinem Haus so ein Verhalten nicht
erlaube. Während der ganzen Sitzung hat er mich schief angesehen!
Aber wie viele werden bleiben? Und wenn sie gehen, werden die Anti-Balakazurückkehren?
Schließlich haben die Menschen kein Vertrauen und wollen nicht nach Hause zurückkehren, solange die Seleka da ist.
Freitag 10. Januar 2014
7.30 Uhr: Wir haben uns alle pünktlich versammelt…aber nach einer
Stunde ist noch niemand von der Seleka eingetroffen, und wir gehen
wieder.
Gegen 9 Uhr kommen der Imam und die Seleka an und wir beginnen mit
der Versammlung. Der Chef der Gesandtschaft, der „General“ der Polizei
(!), Adoum Rakis, sagte, dass er des Friedens wegen gekommen sei, dass
er für alle da sei, dass die Regierung wegen Bozoum sehr besorgt sei,
dass die Menschen nach Hause gehen müssten, bla bla bla bla.
Die Menschen sprechen und fragen ihn, ob er garantieren könne, dass
sie nach ihrer Rückkehr nicht von den Seleka-Rebellen belästigt und
bedroht werden. Sie fragen ihn auch, warum sie nicht die Moslems und
Fulbe, die Kriegswaffen hätten, entwaffnen. Der „ General“ sagt, dass er
schon eine Liste mit zwei Personen, die eine Kalaschnikov besäßen,
habe. Wir haben hingegen eine Liste mit den Namen von mindestens 55
Personen!
Ich erinnere die befreundeten Moslems, die Fulbe und die
Seleka-Mitglieder daran, dass das Problem nicht die Anti-Balaka, sondern
die Seleka ist: Wenn die Seleka sich davonmache, würde die Anti-Balaka
wahrscheinlich die Waffen niederlegen und in ihre Dörfer zurückkehren.
Wir erwähnen immer wieder die Übergriffe und schließlich auch, dass
die Seleka Ngaina Jerome, einen Katecheten, am Mittwoch verhaftet und
gefoltert hat und der kurz davor stand, getötet zu werden: Ihm wurde
vorgeworfen, ein Anti-Balaka-Mitglied zu sein.
Sie lassen ihn als Zeichen der Menschlichkeit frei. (Leider
scheinen die Rebellen der Seleka sich in den Dörfern mit den Insignien
der multinationalen afrikanischen Truppe, der FOMAC, präsentiert und so
die Menschen verwirrt zu haben).
Nach der langen Versammlung erreicht uns die Nachricht von der
Abdankung des Präsidenten Michel Djotodjia und des Premierministers. Die
Menschen sind zurückhaltend, aber es kommt immerhin ein bisschen Freude
auf.
Um 15 Uhr gehe ich mit dem Roten Kreuz los, um die Dörfer am
Ortsausgang von Bozoum an den Straßen nach Bocaranga und Paoua in
Augenschein zu nehmen, wo gestern gekämpft wurde. Glücklicherweise gab
es dabei nicht viele Tote, aber die Seleka hat sich gerächt und hat in
den Dörfern Pont Ouham, Doussa, Camp 5 und Boyele 440 Häuser (von 520)
in Brand gesteckt.
Wie traurig ist es, die abgebrannten Häuser und die zerstörte Ernte zu sehen!
Einzigartig ist hingegen dies: In Boyele hat ein Katechet sein Haus
mit einem Schloss und einem Rosenkranz verschlossen. Die Seleka hat
nicht gewagt, Feuer zu legen oder die Türen aufzubrechen!
Wenn alles gut geht, werde ich morgen die von der Seleka niedergebrannten Dörfer an der Straße nach Bangui ansehen.
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