Szenen aus dem Wilden Westen
In
diesen
Tagen war ich wegen einiger Treffen in Bangui. Am Donnerstagmorgen
machen wir uns auf den Rückweg. Wir kommen am PK 12 an, dem Ein- und
Ausgang der Stadt, und die Séléka-Rebellen verlangen unsere
Dienstbescheinigung. Ich bin damit nicht einverstanden, aber
wir geben sie ihm. Sie unterschreiben und stempeln sie ab. In der
Zwischenzeit wollen sie das Auto durchsuchen. Ich sage ihnen, dass nicht
sie das tun können, sondern nur die Ordnungskräfte (die auf der anderen
Seite der Straße sind). Wenn die Polizisten die
Durchsuchung durchführen wollen, habe ich nichts dagegen. Aber nicht
die Rebellen!
Als
die
Formalitäten beendet sind und wir aufbrechen wollen, kommt so ein Typ,
ein Rebell, an, der sich durch nichts von den anderen unterscheidet, und
besteht darauf, die Durchsuchung durchzuführen. Ich lehne ab und fahre
los. Nach weniger als 500 Metern geben sie
mir ein Zeichen, dass ich anhalten soll, und im Rückspiegel sehe ich
ein Motorrad mit einem der Rebellen, der ein Maschinengewehr in der Hand
hält. Ich halte an. Er nähert sich und zielt mit dem Maschinengewehr
auf mein Gesicht und befiehlt mir, umzukehren.
Da viele Leute da sind, sage ich ihm, er solle mir Zeit lassen. Er
weicht zurück und schießt in die Reifen. Dann schießt er in die Luft und
fordert, dass ich den Rückwärtsgang einlege. Ich steige aus und sehe,
dass zwei Reifen einen Platten haben. Ich versuche,
ihn zu beruhigen und ihm zu erklären, dass ich das Auto nicht bewegen
kann. In der Zwischenzeit tragen sie eine Frau weg, die von einer
herumfliegenden Kugel gestreift wurde.
Gottlob
trifft, während wir diskutieren, eine gemischte Polizeipatrouille aus
Kongolesen und Zentralafrikanern ein. Ich halte sie an und sage ihnen,
dass sie eingreifen sollen, weil hier ein bewaffneter Irrer ist, der
geschossen hat und uns weiterhin bedroht. Sie
steigen aus und fangen an, den Kerl und auch die Leute, die sich in
großer Menge eingefunden haben, zu beruhigen.
Wir
wechseln
die Reifen und kehren dann zur Straßensperre zurück, wo wir die
Polizisten ein Protokoll aufnehmen lassen. In diesen Minuten gelingt es
uns, alle möglichen Anrufe zu machen, und wenig später trifft der
Generaldirektor der Polizei ein, ein Oberst, der vom Innenminister
geschickt wurde. Sie nehmen den Typen, der geschossen hat, fest, und
wir gehen in eine andere Polizeidienststelle, um das Geschehene zu
Protokoll zu geben.
Als
alles
beendet ist, besteht der Anführer der Rebellen darauf, die Durchsuchung
durchzuführen. Der Oberst der Polizei, der schon müde ist (seit Monaten
werden sie von den Rebellen gedemütigt), ist schließlich einverstanden:
Er fragt mich, was in dem Auto ist, und
ich sage ihm, dass dort vier Eimer Farbe und unsere persönlichen Dinge
sind.
Dann
dreht sich der Polizeioberst zu dem Rebellen um und sagt, ohne etwas in
dem Auto angerührt zu haben: „Die Durchsuchung ist beendet“.
Wir
gehen zwei Reifen kaufen und die Felgen reparieren, und gegen 11 Uhr sind wir bereit, aufzubrechen.
Szenen
aus einem Krimi
Der
Minister besteht darauf, uns bis zur Straßensperre PK 12 zu begleiten.
Er stößt zu uns, und wir brechen auf. Aber auf der Strecke drängt
sich ein Wagen ohne Kennzeichen, ein geschlossener Landcruiser mit
getönten Scheiben, zwischen uns und den Wagen des Ministers. Ich
überhole ihn dann ein bisschen, und der Minister hält
an und erkundigt sich bei mir nach diesem Wagen, der uns
inzwischen überholt. Wir fahren wieder los, aber zwei andere
Autos (in denen Rebellen sitzen) überholen uns. Der Minister hält an,
und wir kehren um. Wir fürchten, dass sie sich entweder rächen oder
einen von uns als Geisel nehmen wollen, um die Freilassung
des Rebellen zu fordern, der festgenommen worden war. Und sie sind
zweifellos wütend, denn die Bande an der Straßensperre PK 12 macht große
Geschäfte, und wir sind für sie eine Bedrohung.
Szenen
aus einem internationalen Politthriller
Am
Donnerstagnachmittag und Freitag versuchen wir, irgendwie aus der Stadt
zu kommen. Aber wir brauchen eine Eskorte, und die ist schwierig zu
organisieren. Es gäbe auch ein Flugzeug der Vereinten Nationen, aber vor
voraussichtlich Dienstag kann davon keine Rede
sein, und der Flug würde auch nicht nach Bozoum gehen. Man könnte eine
andere Straße nehmen, aber die Strecke ist sehr, sehr weit und auch
nicht sicher. Wir finden uns damit ab, zu warten.
Szenen
aus einem Spionagefilm
Samstagfrüh
regnet es bis 4 Uhr. Nach dem Gebet und der Messe sage ich meinen
Reisegefährten, dass man das schlechte Wetter nutzen könnte, um
versuchen durchzukommen. Alle sind einverstanden. Wir holen Joseph,
unseren Fahrer, und seine Frau, und brechen auf. Ich setze
mich mit einer Sonnenbrille und einem dicken Pullover auf den Rücksitz.
Wir kommen an der PK 12 an. Joseph steigt aus, lässt die Bescheinigung
unterschreiben und muss – widerrechtlich – 1000 zentralafrikanische
Francs zahlen. Dann wollen sie das Auto durchsuchen,
und Joseph ist trotz des Regens damit einverstanden. Aber als sie
anfangen, schreit ein Polizist den Rebellen an, er sei nicht befugt die
Untersuchung durchzuführen: der Minister habe die Anweisung gegeben,
dass die Autos von Nichtregierungsorganisationen
und Missionaren nur von der Polizei durchsucht werden dürfen.
Der Rebell hört nicht auf ihn, aber es zeigt, dass etwas beginnt,
sich zu verändern. Nach ca. zehn Minuten, die wir im Auto verbringen,
dessen Scheiben beschlagen sind, hören wir, wir jemand Joseph zubrüllt,
ob Pater Aurelio da sei. Ein Augenblick des
Schreckens! Es ist ein Polizist, der am Seminar gewesen war.
Glücklicherweise sieht er nur Pater Stefano und grüßt ihn. Und sie
lassen uns abfahren!
Warum
das alles? Es ist absurd, die Zufahrt zur Hauptstadt in den Händen von
Rebellen zu lassen, die sich wie Cowboys benehmen. Es ist absurd, dass
die Menschen weiterhin alle diese Übergriffe und Ungerechtigkeiten
ertragen müssen.
Es ist absurd, dass ein Staat es
nicht schafft, seine Pflicht zu erfüllen und es zulässt, dass
irgendwelche Irren am hellichten Tag an einer der belebtesten Stellen
der Hauptstadt schießen. Ich hoffe und glaube, dass
die Gefahr, die wir durchlebt haben, dazu dienen kann, etwas zu verändern…
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