Bozoum, live aus Madrid
Der Name Bozoum mit all seinen Farben, seinem Leiden, aber auch mit
seinem Lächeln erklingt in diesen Tagen in Madrid, der Hauptstadt
Spaniens.
Die spanische Anwaltskammer (Consejo General de la Abogacía
Española) veranstaltet jedes Jahr eine Konferenz: Anlass ist der
Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte. Dabei wird ein Preis an
Personen und Institutionen verliehen, die für die Menschenrechte
arbeiten und sich für sie einsetzen. In diesem Jahr war unter den
Preisträgern auch Zentralafrika, vertreten durch den Bischof von
Bangassou, Mons. Juan Josè Aguirre und mich.
Interessant ist die Begründung hierfür:
„Er ist ein Vermittler des Friedens, ein Mann, der Christen und
Moslems aufgenommen hat, der ihnen geholfen und sie verteidigt hat, auch
wenn er dabei sein eigenes Leben riskierte, und der ein aktiver Blogger
ist, um die Menschenrechte zu verteidigen.“
Ich bin am 15. März von Turin aufgebrochen und über Paris nach Madrid gekommen.
Madrid ist wirklich eine sehr schöne Stadt. Am Mittwoch treffe ich
das Team, das die Zeremonie vorbereitet, und dann stehen einige
Interviews auf dem Programm. Gegen 13 Uhr kommen meine Schwester Marisa
und meine Nichte Luisella aus Italien an, die mich in diesen Tagen
begleiten. Am Abend begrüße ich Pater Juan Montero, der meinen Blogtext
ins Spanische übersetzt.
Der Donnerstag ist der große Tag. Noch ein paar Interviews, und
dann wird um 18.30 Uhr die Zeremonie vom Justizminister eröffnet. Es
gibt fünf Preisträger: den Journalisten Henrique Cyberman, der an der
Vorbereitung für das Treffen von Shimon Peres und Mahmud Abbas im
Vatikan beteiligt war; die “Ciudad de Escuela de los Muchachos” und
Inigo Ortz de Mendibil: Es sind zwei Institutionen, die mit gefährdeten
Kindern und Jugendlichen arbeiten, und schließlich der Bruder von Mons.
Aguirre und ich.
Jeder Preisträger hält eine Ansprache; daher habe ich diese Rede vorbereitet:
Guten
Abend. Ich bin sehr bewegt. Es
ist eine große Ehre für mich, heute Abend bei Ihnen sein zu dürfen, und ich
danke Ihnen von Herzen für diese Einladung. Als Karmelit, als ein Sohn der
heiligen Teresa von Avila, ist es für mich ein weiterer Grund stolz zu sein…
Ich danke Ihnen
dafür, dass dieser Preis es mir gestattet, Ihnen eine vergessene Krise in einem
vergessenen Land, der Zentralafrikanischen Republik, vor Augen zu stellen. Eine
Krise, die nunmehr zwei Jahre andauert, die Tausende von Opfern gefordert und
mehr als eine Million Menschen (ein Viertel der Gesamtbevölkerung) dazu
gezwungen hat, ihre Häuser zu verlassen und anderswo im Land (oft in den
katholischen Missionsstationen) oder im Ausland Zuflucht zu suchen.
Im Dezember 2013
fand nach mehr als 8 Monaten die Schreckensherrschaft der Seleka ein Ende. Viele
der Rebellen stammten aus dem Tschad und dem Sudan und sprachen nur Arabisch.
Nach Monaten der Folterungen, der Raubüberfälle, Plünderungen, Morde,
Vergewaltigungen und der Zerstörung ergriff ein Teil der Bevölkerung (die
Anti-Balaka) die Waffen gegen die Seleka und leider auch gegen die muslimische
Bevölkerung (die sich teilweise auf die Seite der Seleka gestellt hatte).
Tausende Menschen flohen, manche in den Wald, und 4000-5000 Menschen in die
katholische Missionsstation. Sie aufzunehmen, zu ernähren, medizinisch zu
behandeln, ihre Sicherheit zu garantieren und in ihnen die Hoffnung aufrecht zu
erhalten, war mehr als eineinhalb Monate lang meine und unsere Aufgabe.
In der
Zwischenzeit haben wir zusammen mit Männern und Frauen guten Willens ein Mediationskomitee
geschaffen, um eine friedliche Alternative zum Krieg zu finden. Wir –
Katholiken, Protestanten und Muslime -
haben uns zusammengefunden und sind zu der Seleka, der Anti-Balaka, den
Muslimen und den Nicht-Muslimen gegangen, um mit ihnen zu diskutieren. Diese
geduldige und mutige Arbeit hat es gestattet, die Zahl der Verwundeten und der
Toten zu reduzieren, und hat zum Abzug der Seleka-Rebellen geführt.
Mit diesen
Personen: Barthélémy Mondele, Jonas Nodjitouloum, Thierry Kanghal, einem
Pastor, Monique, Joseph und fünf Moslems möchte ich diesen Preis teilen.
Ich danke Ihnen
für diesen Preis. Es ist jedoch nicht der erste Preis, den ich erhalte. Ich
habe in diesen zwei Jahren des Krieges andere Preise erhalten, an denen ich
sehr hänge…
Der erste ist die
Ohrfeige gewesen, die ich von Goni, einem Seleka-Rebellen, bekommen habe. Er
war wütend, weil ich zu ihnen gegangen und Einspruch gegen die willkürlichen
Folterungen und Verhaftungen erhoben habe, die die Seleka der Bevölkerung
antat.
Der zweite Preis
sind die gesprungenen Scheiben meines Autos, die von einer muslimischen
Menschenmenge zerbrochen wurden, die den Abzug der Seleka verhindern wollte.
Der dritte Preis
ist der Jubel gewesen, der ausbrach, als ich am 13. Januar in die
Missionsstation zurückkehrte, nachdem ich den Abzug der Seleka erreicht hatte
(aber auch von Muslimen mit Steinen beworfen und mit Waffen bedroht worden war…).
Die Leute brachen in Freudengeschrei aus, weil sie befürchtet hatten, ich sei
getötet worden. Und sie warfen ihre Mäntel unter die Räder des Autos… Es
erinnerte an den Palmsonntag!
Der vierte Preis
war der Blick eines jungen Moslems und eines Seleka-Rebellen (er trug den
Kampfnamen 10/15), die die muslimische Menschenmenge daran hinderten, mich zu
töten oder mir etwas zuleide zu tun.
Der fünfte Preis
ist das tausendfache Lächeln auf den Gesichtern Tausender Kinder, die während
dieser eineinhalb Monate Zuflucht in der Missionsstation gefunden hatten. Ein
Großteil meiner Arbeit bestand – neben dem Organisieren – darin, dass ich allen
ein Lächeln schenkte, um ihnen Zuversicht und Hoffnung zu geben. Und ich
versichere Ihnen, dass dieses Lächeln so oft erwidert wurde!
Der sechste Preis
waren die mehr als 15.000 Kinder, die im vergangenen und in diesem Jahr zur
Schule gehen konnten! In einem vom Krieg heimgesuchten Land die Schulen
geöffnet zu halten, ist eine Herausforderung, und es ist eine Ohrfeige für die
Gewalt! In die Schule zu gehen bedeutet die Saat für die Zukunft zu legen, es
bedeutet, die Kinder der Gewalt zu entreißen, es bedeutet, den Eltern Hoffnung
zu schenken, und es ist ein Grund mehr, in Frieden zu leben.
Der siebte Preis
sind die Telefonanrufe der muslimischen Freunde, die aus dem Tschad oder aus
Kamerun anrufen, um zu fragen, wie es mir geht.
Der achte Preis
ist die Kollekte, die wir vor einem Monat in meiner Pfarrei in Bozoum
abgehalten haben. Ich hatte die Menschen darum gebeten, etwas für die ca. 200
in Bozoum zurückgebliebenen Muslime (größtenteils Frauen und Kinder)
mitzubringen. Normalerweise steuern die Gläubigen zu der Kollekte für die
Armen, die wir einmal im Monat abhalten, ein paar Lebensmittel für die Waisen
und ein bisschen Geld (zwischen 15 und 20 Euro) bei. An jenem Sonntag haben
meine Christen mich gerührt: Sie haben so viele Nahrungsmittel mitgebracht und
haben fast 70 Euro gesammelt!
Ich bin ein
glücklicher Mensch. Und ich danke Gott jeden Tag für das Geschenk, in der Zentralafrikanischen
Republik arbeiten zu dürfen. Und Ihnen danke ich von Herzen für Ihre Sympathie
und Ihre Sensibilität und für die Arbeit, die Sie tagtäglich verrichten.
Danke.
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