Sonntag, 15. Dezember
Die Soldaten sind nicht angekommen. Weder die französischen noch die kamerunenischen der FOMAC.
Wir hatten so große Hoffnung gehabt, weil der Moment günstig ist,
mit den Anti-Balaka außerhalb und den Seleka-Rebellen, die in ihrem
Stützpunkt festsaßen, aber nichts.
Die Zahl der Flüchtlinge in der Missionsstation beträgt 5700. Der Prozess der Aussöhnung dauert an.
Die Moslems organisieren die Entwaffnung, und tatsächlich sehen wir nicht viele Menschen mit Macheten in der Stadt.
Gestern haben wir dem Oberst der Seleka das Ultimatum vorgelegt,
und er hätte uns um 11 Uhr eine Antwort geben müssen, dann um 15 Uhr,
und um 16 Uhr hat er endlich gesagt, dass er die 2. Alternative
akzeptiert, nämlich die Männer in der Basis zu lassen und sie nicht
bewaffnet in der Stadt herumlaufen zu lassen.
Das ist eine gute Idee, auch wenn wir Folgendes bedenken:
Eine gewisse Anzahl von Seleka-Rebellen (mindestens drei) ist aus Bozoum geflohen.
Heute Nachmittag traf ich die Anti-Balaka, weil wir für heute einen
Termin ausgemacht hatten, um Informationen auszutauschen. Ich hatte
nicht viele Nachrichten, weil ich die Antwort des Oberst noch nicht
kannte, und die französischen oder kamerunensischen Soldaten waren nicht
gekommen.
Ich unterstrich die Notwendigkeit einer Entwaffnung durch
professionelle Soldaten und sie stimmten mir zu. Mir kamen sie ruhiger
vor als gestern, besonders angesichts des Problems des dreitägigen
Ultimatums. Das gestrige Treffen mit den Moslems zeigte Früchte, weil
sie ihnen gegenüber weniger gewalttätig sind.
Ich versprach, morgen am Nachmittag wiederzukommen. Morgen werde
ich mit anderen Gruppen der Anti-Balaka Kontakt aufnehmen, und wir
werden sehen.
Montag, 16. Dezember
Gegen 8.30 Uhr morgens gehe ich in die Stadt, um mit einigen Leuten
vom Roten Kreuz noch eine Leiche zu bergen und zu beerdigen. Bei der
Rückkehr treffe ich neun bewaffnete Seleka-Rebellen zu Fuß in der Stadt,
obwohl Oberst Yahaya zugestimmt hatte, sie in der Basis festzuhalten.
Kurze Zeit später treffen wir ein Mitglied der Seleka in der
Missionsstation. Ich verfrachte ihn ins Auto und bringe ihn nach
draußen, und er beteuerte seine Unschuld…bla bla bla…wir haben es
nachgeprüft und festgestellt, dass er eine Person bedroht hat und
gekommen war, um mehr Geld zu erpressen.
Um 11 Uhr versammelte sich das von uns so genannte
„Verhandlungskomitee“. Man prüft die Situation und wir sind uns einig,
den Oberst anzurufen und ihm wegen der Nichteinhaltung der Bedingungen,
seine Leute in der Basis zu halten, Vorwürfe zu machen. Er kommt um
11.30 Uhr und wir beschweren uns über das Benehmen seiner Männer, dass
sie die Bedingung, im Stützpunkt zu bleiben, nicht einhalten und
weiterhin erpressen. Er muss sich der Schwere der Situation bewusst sein
und der Gefahr, in die er die gesamte Bevölkerung durch so ein Handeln
bringt.
Um 16 Uhr beginnt das Treffen mit den Anti-Balaka, und wir erklären
ihnen die Situation, dass wir vorgeschlagen haben, dass die Seleka im
Stützpunkt bleibt, und andere Vorschläge, um den Missbrauch zu beenden,
während wir auf die Ankunft der französischen Soldaten und der FOMAC
warten. Nach der Rückkehr von der Versammlung sehen wir noch das Problem
eines Motorrads, das von einem Seleka-Element beschlagnahmt wurde, und
wir erwischen mindestens sieben Mitglieder der Seleka, die zu Fuß in der
Stadt mit Waffen herumlaufen.
Es ist nicht leicht, sich darauf zu beschränken, dass sie sich ergeben.
Nur Mut!
Dienstag, 17. Dezember
An diesem Morgen fahren wir (der Sekretär der Präfektur, Pater
Aurelio und vier Moslems) gegen 8.30 Uhr in die Stadt, um zu überprüfen,
ob die Seleka-Rebellen an ihrem Stützpunkt sind odernicht. Wir treffen
sie versammelt an und wir fahren aus der Stadt heraus, weil jemand uns
gesagt hat, dass die Seleka gestern eine Straßensperre errichtet und
„Formalitäten“ von einigen Autos verlangt habe. „Nach Formalitäten
fragen“ bedeutet „Geld fordern“. Aber nach zwei Stunden kam der Oberst
der Seleka, um sie zu vertreiben, und einige Mitglieder sind geflohen.
Um 12 Uhr beginnt sich die Nachricht von der Ankunft der
französischen Soldaten zu verbreiten, die wir um 12.30 Uhr mit ihren
Panzerspähwagen in die Stadt einfahren sehen.
Um 13 Uhr kommen sie hier in der Missionsstation an. Sie werden von unseren Flüchtlingen als Befreier begrüßt!
Der Hauptmann bat mich, die Situation darzustellen, und ich
erklärte ihm die ganze Geschichte mit dem Prozess der Versöhnung und des
Friedens. Er ist erstaunt über die Arbeit und ist froh, weil das genau
dem Ziel seiner Mission entspricht.
Nach einer Ortsbegehung, um festzulegen, wo die Soldaten ihre Zelte
aufschlagen sollen, fahren wir um 15 Uhr mit ihm los und erreichen den
Ort, wo wir uns mit der Anti-Balaka treffen. Sie sind froh, die beiden
Panzerspähwagen zu sehen, und der Hauptmann erklärt, dass es seine
Aufgabe sei, die Verbrechen der Seleka zu beenden und alle zu
entwaffnen.
Die Anti-Balaka sind sehr glücklich und beschließen, die Waffen
niederzulegen, weil ihr Ziel ( die Entwaffnung der Seleka, der Moslems
und der Fulbe) erreicht ist.
Nach der Rückkehr in die Missionsstation rufe ich die Flüchtlinge
in die Kirche und verkünde ihnen die gute Nachricht vom Frieden. Ich
erkläre die Vorgehensweise und die Mission des französischen Militärs.
Ich sage, dass die Repressalien der Seleka zu Ende sind, und dass sie
jeden Vorfall sofort anzeigen und melden müssen. Ich gebe noch einige
Ratschläge und bitte alle Menschen, zu warten und morgen aufzubrechen.
Wir beenden das Treffen mit einem großen Gloria, mit Singen und Tanzen.
An diesem Abend herrscht eine sehr fröhliche Atmosphäre: es ist wie Weihnachten!
Mittwoch, 18. Dezember
Viele Flüchtlinge kommen in die Messe, um für den Schutz in den
letzten Tagen zu danken, für den Frieden und für die Versöhnung. Sofort
danach beginnen die Menschen, ihre Sachen zu packen, und brechen auf. In
weniger als zwei Stunden ist die Missionsstation leer, und die etwa 40
Zimmer, in denen die Flüchtlinge untergekommen waren, sind nicht nur
leer, sondern auch ganz sauber: Die Flüchtlinge haben alles ordentlich
hinterlassen! Ein kleines Wunder, und eine Geste der Dankbarkeit!
Etwas später gehe ich ins Stadtzentrum und finde die Menschen ruhig und den Markt wieder geöffnet: Das Leben geht weiter!
Die französischen Soldaten sind in der Stadt mit ihren
Panzerspähwagen und Lastwagen, gut sichtbar: Sie beobachten die Rebellen
der Seleka und erklären ihnen, dass sie von jetzt an ihren Stützpunkt
nicht mehr bewaffnet verlassen können.
Dann gehe ich ins muslimische Viertel, und die Leute begrüßen mich voller Freude: Heute ist ein kleines Fest!
Allerdings wird es oft gestört von Gerüchten von Angriffen der
Anti-Balaka und der Angst, dass die Rebellen der Seleka und andere ihre
Waffen an einem anderen Ort verstecken. Aus diesen beiden Gründen muss
ich mehrmals in die Stadt gehen.
Um 15.30 Uhr landet ein Hubschrauber mit General Soriano, dem Chef
der französischen Truppen. Er trifft das kleine Vermittlungskomitee und
hört sich die Geschichte unserer Arbeit und unsere Sorgen an, aber auch
unsere große Freude darüber, die französischen Truppen in Bozoum zu
haben. Nach seiner Abreise gehe ich 5 km mit dem Sekretär der Präfektur
zu den Anti-Balaka. Sie haben eine Sperre errichtet, um zu verhindern,
dass Waffen nach außen gelangen. Wir reden lange, und wir sagen ihnen,
dass sie die Sperre entfernen sollen, damit die Menschen von Bozoum
beruhigt sind und keine Angst haben. Sie sind einverstanden.
Die Entwaffnung beginnt, aber es ist nicht so einfach.
Es ist notwendig, dass alle sich daran beteiligen!
Donnerstag, 19. Dezember
Die Nacht war ruhig: Die erste Nacht ohne Flüchtlinge, ohne Krach, ohne Husten, ohne das Weinen von Kleinkindern.
Der Imam bat mich, ihm bei der Beerdigung einer Frau zu helfen; er
hat Angst vor den Anti-Balaka. Ich bitte die französischen Soldaten und
zusammen gehen wir los, um sie zu beerdigen.
Danach gehe ich in das Krankenhaus, um einen Verletzten abzuholen,
und bringe ihn zu dem kleinen Flughafen, wo ein Flugzeug vom Roten Kreuz
ihn aufnimmt und nach Paoua bringt, wo die „Ärzte ohne Grenzen“ sich um
ihn kümmern werden.
Um 14.30 Uhr breche ich mit dem Generalsekretär der Präfektur zum
Treffen mit den Anti-Balaka auf. Wir treffen sie ruhig an: Es gibt fast
keine Waffen mehr. Wir diskutieren, und es geht weiter.
Auf dem Rückweg passieren wir schnell eine Straße, wo wir einige
Fulbe treffen, die unseren Informationen zufolge Waffen verstecken.
Auf unserem Weg durch die Stadt begegnen wir dem Auto der Seleka-Rebellen, von denen einer bewaffnet ist. Das dürfte nicht sein.
Ich komme in der Missionsstation an, aber ich muss zurück fahren,
um eine andere Gruppe der Anti-Balaka zu treffen. Ich bin froh, sie zu
sehen, ein bisschen mit ihnen zu sprechen, ihnen zuzuhören, ihnen
Ratschläge zu geben und sie in Erwartung der effektiven Entwaffnung
aller Parteien um Geduld zu bitten.
Ich kann feststellen, dass viele Meldungen und Gerüchte die Runde
machen ( die Anti-Balaka würden Herden von 800-700 Tieren stehlen und
hätten ein Auto angegriffen), aber ich kann bestätigen, dass diese
Nachrichten falsch sind.
Die Arbeit der Vermittlung und Versöhnung geht sehr langsam weiter, aber sie geht weiter.
Freitag, 20. Dezember
Am Vormittag fahre ich mit dem Sekretär der Präfektur auf einer
schrecklichen Straße 9 km nach Kosso. Wir werden von zwei französischen
Soldaten begleitet.
Hier findet die Versammlung einer Gruppe der Anti-Balaka, die wir
noch nicht getroffen haben, statt: einfache Menschen, die ihre Wut nach
monatelangen Übergriffen und Gewalttaten vonseiten der Seleka
ausdrücken.
Wir hören ihnen zu und erklären ihnen die Arbeit der Versöhnung in
diesen Tagen. Der französische Hauptmann erklärt seine Rolle und seine
Mission. Bevor wir zurückfahren, gehen wir zum Imam, um die Menschen zu
beruhigen, die noch durch einen Angriff der Anti-Balaka traumatisiert
sind. Außerdem gibt es Menschen, die Vorfälle erfinden, wie ein junger
Mann, dessen Auto von den Anti-Balaka angehalten worden sein soll; sie
hätten ihm Geld geraubt ( die Zahl, die er nannte, wurde jedes Mal
höher!). Nach der Überprüfung fanden wir heraus, dass die Anti-Balaka
ihn niemals angehalten hatte.
Am Nachmittag findet eine lange Versammlung des
Vermittlungskomitees statt. Wir bitten darum, nachzudenken und laden
alle ein, ruhig zu bleiben und die Nachrichten, die sich verbreiten, gut
zu überprüfen. Während der Versammlung kommt ein Auto mit sieben völlig
bewaffneten Seleka-Rebellen an. Ich mache ihnen Vorwürfe, weil sie
ihren Stützpunkt nicht mit Waffen verlassen dürfen. Ich mache einige
Fotos, und sie gehen murrend davon.
Schließlich beginnen die Soldaten, einige versteckte Waffen einzutreiben. Aber es bleibt noch viel zu tun!
Samstag, 21. Dezember
Die französischen Soldaten gehen wieder! Sie sollen von Soldaten aus Kamerun ersetzt werden, aber wann?
Schon am Morgen nehmen sie wieder die üblichen Schweinereien auf!!
Um 9 Uhr muss ich zu ihrem Stützpunkt gehen, weil sie einen jungen Mann festgenommen haben.
Wie lange wird der Frieden dauern?
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